"Radikale Folgen auch für die Kirche selbst"

Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck spricht im domradio.de-Interview über den bisherigen Verlauf der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Trier. Themen wie die bevorstehende Papstwahl, der Umgang mit der "Pille danach" und die Rolle der Frau innerhalb der Kirche bestimmten die Tagesordnung.

Der Ruhrbischof im domradio.de-Interview zum Verlauf der Vollversammlung

domradio.de: Herr Bischof, wie erleben Sie diese Tage?

Bischof Overbeck: Die Tage sind zum einen sehr geprägt von den Fragen: Wer wird der neue Papst? Und was geschieht, wenn Benedikt XVI. nicht mehr Bischof von Rom und Papst ist? Das ist eine ungewöhnliche Situation angesichts seines nun angekündigten Rücktritts für den 28. Februar. Auf der anderen Seite erleben wir ein Stück Kirchengeschichte, das beschäftigt viele. Und es gibt ohnehin viele Themen angesichts der nicht leichten Monate Januar und Februar, die für die Katholische Kirche von Belang sind. Wir haben noch einmal über die Folgen der Diskussion über die „Pille danach“ gesprochen, über die moraltheologische Einordnung und was das für uns bedeutet, aber auch für die Katholiken und Katholikinnen und für die ganzen Institutionen, die sich mit dem Wohl und Wehe von Menschen in Not beschäftigen. Und heute hatten wir einen interessanten Studientag zum Thema des Miteinanders von Männern und Frauen in der Kirche, besonders aber hinsichtlich der Rolle der Frauen.

domradio.de: Darf ich noch einmal nachfragen: Die Kirche befindet sich ja seit Jahresbeginn in sehr schwerem Fahrwasser. Wie kommt man da wieder heraus? Haben die Bischöfe sich hier zusammengetan und gesagt, wie es weitergehen soll, wie man aus dieser Krise herauskommt?

Bischof Overbeck: Was die konkreten beiden Fälle angeht, da sind ja schon konkrete Handlungen erfolgt. Zum einen in Hinblick auf die Aufarbeitung des Missbrauchskandals ist es wichtig, jetzt eine Nachfolge für das gescheiterte Projekt mit Herrn Professor Dr. Pfeiffer aus Hannover zu finden. Das wird jetzt noch einige Zeit in Anspruch nehmen, um zu guten Ergebnissen zu kommen. Die zweite große Problematik betrifft die "Pille danach" und den Umgang damit – das ist meines Erachtens das große Problem der Kirche mit den großen Fragen der Sexualität und des Umgangs mit Menschen in Notsituationen angesichts unserer so komplexen modernen Welt. Auch da haben wir uns ja in der Öffentlichkeit infolge der Stellungnahme Kardinal Meisners als NRW-Bischöfe zu geäußert. Aber auch in der Bischofskonferenz wurde deutlich gesagt, dass der Lebensschutz wichtig ist, aber auch gleichzeitig die Frage der Güterabwägung eine Rolle spielt, wenn Menschen in solche Not geraten.

domradio.de: Gegenwärtig ist es ja so, dass immer mehr treue „Kernchristen“ auch immer mehr hadern, wenn wir der Sinus-Studie glauben dürfen. Auch hier in Trier bleiben Bänke morgens in den Gottesdiensten hinten leer. Wie kann es gelingen, da wieder in besseres Fahrwasser zu kommen?

Bischof Overbeck: Das ist natürlich eine Frage, die eine komplexe Antwort braucht. Einfach kann man sagen: Die Kirche wird da ausstrahlen, wo sie durch Menschen symbolisiert und dargestellt wird, die mitten in ihrem Leben ein positives Verhältnis zur Tradition, zur Heiligen Schrift und zum Glaube und auch ein genauso positives Verhältnis zum Leben heute haben. Auf der anderen Seite stehen wir vor der großen Herausforderung, dass wir sagen: Unser Schatz ist unsere Tradition, wer deswegen tief steht, kann sich natürlich auch weit nach vorn wagen. Und unsere Herausforderung ist die, wirklich modern zu leben.

domradio.de: Eine Herausforderung, die es zu meistern gilt, ist das Schwerpunktthema Frauen und Männer im gemeinsamen Dienste der Kirche. Die Rolle der Frau wird gerade auch in unserer modernen Gesellschaft und in der Kirche sehr kritisch hinterfragt. Welche Ergebnisse hat der Studientag gebracht?

Bischof Overbeck: Diese wird morgen der Vorsitzende deutlich machen. Mir ist sehr deutlich geworden – das kann ich als persönliches Resümee ziehen ‑  es ist noch einmal wichtig, neu das Miteinander von Männer und Frauen nicht nur in der Kirche, sondern in der Gesellschaft anzuschauen. Das hat radikale Folgen auch für die Kirche selbst, nämlich für die Präsenz der Laien in der Kirche – mit dem männlichen und dem weiblichen Gesicht. Und gleichzeitig ist es für uns Bischöfe wichtig klarzumachen: Wir wollen auch Frauen in Leitungspositionen und wir bemühen uns auch, qualifizierte zu bekommen und sie dann auch einzustellen.

domradio.de: Sie haben eben das Thema angedeutet, das eigentlich gar nicht auf der Tagesordnung steht, was dann aber doch alles andere überlagert hat: der Paukenschlag in Rom. Wenn Sie nach vorne schauen: Sie müssen nicht mit ins Konklave, aber Wünsche darf man ja äußern – Wo soll die Reise hingehen, welche Anforderungen stellen wir aus heutiger Sicht an den Nachfolger?

Bischof Overbeck: Nach der großen Steilvorlage des Papstes selbst hinsichtlich der Frage, wie es um den Glauben und die Vernunft bestellt sei – ein sehr modernes Thema - ist das nächste große Thema: Wie bekommen wir ein positives Verhältnis zwischen einer 2000 Jahre alten und ganz lebendigen Kirche und der Postmoderne hin? Dieses Verhältnis, Menschen positiv zum Glauben zu bewegen, zu zeigen, dass es ein vernünftiger Glaube ist, aber auch zu gleich vorzuleben, dass er die Herzen aller Menschen erreichen kann – ich glaube, dieses ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Und das Zweite: Ich erlebte selbst an uns Bischöfen und das gilt bestimmt erst Recht für den Papst, er und wir müssen Seelsorger sein, weil er und wir sonst die Herzen der Menschen nicht erreichen. Und wo das deutlich wird, ist die Kraft des Glaubens nicht nur ungebrochen, sondern kann sie auch neu lebendig werden.

domradio.de: Herzlichen Dank, Bischof Overbeck, dass Sie die Freude des Glaubens und die Informationen dazu mit uns geteilt haben! (domradio.de)

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