Made in Hong Kong - Made in Essen

Schuhe, Kleidung, Elektrogeräte - alles „Made in China“. Wer kennt das nicht? Doch viel mehr zeichnet sich das Land durch die Freundlichkeit seiner Bewohner aus. Zwei von Ihnen sind gerade zu Gast im Ruhrbistum. Wir haben Sie zu einem Interview getroffen.

Schuhe, Kleidung, Elektrogeräte - alles „Made in China“. Wer kennt das nicht? Neueste Technologien und modernste Errungenschaften schwappen seit einiger Zeit aus dem asiatischen Land zu uns herüber. Die Handelsbeziehungen mit China schienen selbst für uns sehr frisch zu sein. Doch in der Redaktion stießen wir auf die Diözesanpartnerschaft des Bistums Essen mit dem Bistum Hongkong. Diese Beziehung besteht schon seit über 50 Jahren! In unseren Augen grenzt das an eine Ewigkeit. Lange bevor Produkte von Samsung, Sony und Nokia in der westlichen Welt angekommen waren, hatte das Ruhrbistum schon internationale Connections - auch noch 2015 wird diese Freundschaft gepflegt. Denn aus dem weit entfernten Hong Kong reisten zwei junge Frauen an, um hier im Bistum für ein Jahr lang Arbeitserfahrung zu sammeln und - ganz nebenbei - die deutsche Sprache zu erlernen. Wir wollten wissen, wie es ist, in einem völlig fremden Land mit einer völlig fremden Sprache und mit einem völlig fremden Beruf klar zu kommen, und haben Cheryl und Emily zu einem Interview getroffen.

Danke, dass ihr Zeit für ein Interview gefunden habt. Wie wäre es, wenn ihr zuerst einmal etwas über euch sagt?
Cheryl: „Ich heiße Cheryl und bin 30 Jahre alt. Ich habe zwei Jahre lang in Berlin gewohnt. Deutsch habe ich zwei Jahre lang am Goethe-Institut in meiner Heimat Hong Kong gelernt. Jetzt nehme ich an einem Deutschkurs an der Fachhochschule in Essen teil. Ich bin für eine Demokratie in Hong Kong und setze mich für die so genannte „Regenschirm-Revolution“ ein.“

Emily: „Ich heiße Emily und ich bin 24 Jahre alt. Deutsch habe ich noch nie gelernt. In Hong Kong habe ich ein Jahr lang als Kindergärtnerin gearbeitet. Nachdem ich meine Prüfung gemacht habe, habe ich mich dazu entschlossen, an dem Austauschprogramm teilzunehmen.“

Was denkt ihr über Deutschland?
Cheryl: „Deutschland ist nett. Die Deutschen sind viel freundlicher als sie scheinen. Sie kommen kalt rüber, aber haben in Wahrheit ein warmes Herz.“

Emily: „Die Deutschen sind nett! Und die Kinder sind sehr süß.“ (lacht)

Wie ist euer erster Eindruck von Deutschland?
Cheryl: „Natürlich sehr gut. Die Städte haben eine gute Struktur. Man findet sich gut zurecht. Und es gibt sehr frische Luft!“ (lacht)

Emily: „Mir kommt es hier sehr leer vor - hier scheint es auf der gleichen Fläche Land einfach weniger Menschen zu geben. Ich mag den Baustil der Häuser - es ist ein schönes Land.“

Was ist anders als bei euch zu Hause?
Cheryl: „In Hong Kong wird sehr hoch gebaut. Hier kann ich die Spitzen der Häuser wenigstens sehen. Aber in Hong Kong werden sie immer von Wolken verdeckt. Man hat hier viel Papierkram zu erledigen. Zu Hause gibt es eindeutig viel mehr Menschen. Alles ist überfüllt. Wir arbeiten in Hong Kong sehr sehr lange. In der Woche arbeite ich 50-60 Stunden - das ist noch relativ wenig für unsere Region. Ich habe jetzt schon fünf Jahre lang in Hong Kong gearbeitet. Zwischendurch aber auch zwei Jahre in Berlin - Work and Holiday nennt sich das. Aber der größte Unterschied ist auf jeden Fall, dass in Deutschland sonntags alle Geschäfte geschlossen sind. Bei uns ist jeden Tag alles geöffnet.“ (lacht)

Emily: „Die Straßen sind anders - und die Kirchen auch. In Hong Kong gibt es nur sehr kleine Kirchen - hier sind sie viel viel größer. Wenn man hier auf der Straße ist, dann sieht man an vielen Ecken Kirchen - Bei uns ist das ganz anders.“

Gab es etwas bestimmtes, dass ihr speziell für Deutschland eingepackt habt?
Cheryl: „Jacken und Pullover! In Hong Kong ist es nicht so kalt. Im Winter sind es immer nur 13-20°C. Als ich in Berlin war, waren es mal -15°C! Also sehr sehr kalt. Ach ja und eine Bibel habe ich mitgebracht, die auf Kantonesisch geschrieben ist.“

Emily: „Warme Kleidung! (lacht) Hier ist es so unglaublich kalt.“

Hattet ihr anfangs Orientierungsprobleme?
Cheryl: „Ich habe ja schon einmal zwei Jahre hier gewohnt, also hatte ich eigentlich keine großen Probleme. Aber Deutsch sprechen ist und bleibt einfach schwer. Als ich 2011 wieder nach Hong Kong geflogen bin, ist auch mein Deutsch weggeflogen - nur leider nicht mit mir! (lacht) Also muss ich alles noch einmal lernen, weil ich es vergessen habe.“

Emily: „Ja auf jeden Fall, da ich anfangs ja kein bisschen Deutsch konnte. Es war schwierig für mich, die Sachen zu bekommen, die ich brauchte. Anfangs war es auch nicht leicht, mit den Kindern im Jugendtreff „Haus Eintracht“ in Gelsenkirchen zu kommunizieren. Ich habe sie das erste Mal gesehen und sie haben alle drauf los geredet - sie wussten nicht, dass ich ihre Sprache nicht konnte. Aber nachdem ich länger hier war, haben sie mich näher kennen gelernt - wir haben die Situation gemeinsam gut gemeistert.“ (lacht)

Warum habt ihr euch ausgerechnet Deutschland ausgesucht, um hier zu arbeiten?
Cheryl: „Da ich in Europa Kunst studieren will, bin ich hier hergekommen, weil Deutschland sehr bekannt für seine gute Kunst ist. Ich möchte gerne Kunstlehrerin werden. Deswegen komme ich hier für ein Jahr „Work and Holiday“ hier her, um Deutsch zu lernen und um eine Universität zu finden.“

Emily: „Ich wollte unbedingt nach Deutschland, weil es hier vieles zu entdecken gibt. Für mich ist es eine gute Chance, die deutsche Kultur und die deutsche Kirche kennenzulernen.“

Was genau macht ihr hier?
Cheryl: „Jeden Montag arbeite ich auf dem Abenteuerspielplatz und dienstags bis freitags arbeite ich im Jugendhaus St. Alfried. Der Abenteuerspielplatz ist für kleine Kinder, normalerweise kommen Kinder im Alter von 2-16 Jahren, weil es dort sehr viele Tiere gibt, mit denen sie spielen können. Zum Beispiel Hasen, Ponys und Pferde. Im Jugendhaus male ich mit den Kindern Bilder und wir machen Kunstprojekte. Dort kommen dann immer Jungen und Mädchen ab elf Jahren dazu. Auch viele türkische Kinder kommen zu uns. Wir spielen Tischtennis oder Brettspiele und ich helfe ihnen bei den Englischhausaufgaben. Außerdem kochen wir manchmal zusammen und treiben viel Sport. Freitags kommen Kinder im Alter von vier bis elf. Dann malen wir zusammen.“

Emily: „Morgens bis mittags gehe ich zum Schülertreff. Der findet in der Schule statt und wir sind dann für die Kinder da und spielen mit ihnen zum Beispiel Billard oder Kicker. Wir machen zusammen Hausaufgaben und gehen später mit ihnen ins „Haus Eintracht“. Dort essen wir alle zusammen und spielen weiter.“

Wie ist es mit den Sprachen - stellen sie eine Herausforderung für euch dar?
Cheryl: „Für mich ist Deutsch super schwer. In Hong Kong schreiben wir traditionelles Chinesisch, aber sprechen Kantonesisch. In der Schule lernen wir zusätzlich Mandarin und Englisch. Ich habe Englisch gelernt und deswegen ist es leichter, Deutsch zu lernen. Allerdings ist die Grammatik sehr schwer - aber besser als Französisch, das habe ich nach drei Monaten abgebrochen (lacht) - es gibt Regeln für alles. Immer die Verben anpassen zu müssen, ist sehr schwer - genau wie „der, die, das“ oder die verschiedenen Fälle.“

Emily: „Für mich ist es meistens ziemlich anstrengend, Deutsch zu lernen. Ich muss alle Vokabeln noch mal lernen. Aber zum Beispiel die Satzstruktur ähnelt sehr der englischen. Wenn ich Deutsch und Englisch vergleiche, finde ich Deutsch auf jeden Fall schwieriger.“

Wie ist das Schulsystem in Hong Kong?
Cheryl: „Es ist ganz anders als das deutsche Schulsystem. Die Kinder müssen schon im Kindergarten Leistungen bringen. Sie lernen Englisch sprechen und schreiben. Fünfjährige wissen nicht, wie sie eine Schleife binden, aber können englische Texte schreiben. Das ist wirklich verrückt. Sie sind quasi „Alltags-Idioten“. Und das ist absolut falsch. Die deutschen Kinder dürfen im Kindergarten spielen und bevor sie durch Lehrer lernen, lernen sie erst vom täglichen Leben. Sie können zwar noch nicht lesen und schreiben, aber können dafür mit anderen alltäglichen Situationen besser umgehen als die Kinder in meiner Heimat. Diese stehen nämlich unter einem extremen Leistungsdruck. Sie müssen viel zu früh sehr viel lernen, damit sie auf eine gute und anerkannte Grundschule gehen dürfen. Auf der Grundschule geht das dann genau so weiter, um auf eine gute weiterführende Schule zu kommen. Sie lernen auf der Grundschule, Chinesisch zu schreiben, was - auch für Erwachsene wie mich - wirklich sehr kompliziert ist. Kinder aus der Mittel- und Oberschicht kommen einfach zu viel lernen.“

Wie steht es um die Religionsfreiheit in eurer Heimat?
Cheryl: „In Hong Kong gibt es diese Freiheit. Es gibt zum Beispiel katholische Schulen, evangelische Schulen, buddhistische Schulen. Aber in China gibt es die so genannte „chinesisch-katholische Kirche“, welche aber nicht mit der römisch-katholischen Kirche zu vergleichen ist. Ich war sechs Monate in China, weil ich dort studiert habe. Es gibt auch Kirchen, aber normalerweise wird sehr schlecht über die Gläubigen gedacht.“

Was habt ihr schon von Deutschland gesehen?
Cheryl: „Ich habe schon sehr viel gesehen. Ich war bei einem Freund in München und nächstes Wochenende fahre ich nach Berlin. Ich war auf dem Weihnachtsmarkt in Dresden. Außerdem in Kassel und Koblenz, um Kunstausstellungen zu besuchen.“

Emily: „Wir waren ja, wie Cheryl schon gesagt hat, in Dresden auf dem Weihnachtsmarkt. Und ich war schon in Köln und Münster. Es gibt wirklich schöne Städte hier! Ich würde gerne Berlin und Leipzig besuchen. Mich interessiert die Geschichte der Städte sehr. Die Berliner Mauer ist ja 1989 gefallen. Im gleichen Jahr sind in China sehr wichtige Dinge passiert. Damals sind die Studenten auf die Straßen gegangen und haben für die Demokratie gekämpft - das ist ja das Gleiche, was in Deutschland passiert ist. Bei einer Demonstration haben die Deutschen sogar die chinesischen Zeichen für Demokratie an Mauern gemalt, das hat die Revolutionskämpfer echt stolz gemacht. Ich hoffe, dass ich in beide Städte fahren kann.“

Was wünscht ihr euch für euren weiteren Aufenthalt?
Cheryl: „Besser Deutsch zu lernen! Und ich suche nach einer Möglichkeit, nach diesem Jahr in Essen zu studieren. Ich hoffe, ich finde bald eine passende Universität, um mein Masterstudium abzuschließen.“

Emily: „Ich möchte, wie schon gesagt, viel Städte besuchen und auf jeden Fall die Kultur und die Geschichte besser kennen lernen. Aber dafür muss ich erst besser Deutsch können! (lacht) Es ist ja ziemlich schwer, sich in einem fremden Land über die Kultur zu informieren, wenn man die Sprache nicht kennt.“

Das Interview führten Leonie Falk, Christin Hergemöller und Veronica Krystek.

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