Ruhrbistum legt Positionspapier zur Sterbehilfe vor

In der aktuellen Sterbehilfe-Diskussion sieht das Bistum Essen keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Das geht aus einem Positionspapier hervor, das Bischof Overbeck sowie Vertreter des Juristenates, des Rates für Gesundheit und Medizinethik und der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg" mit Bundestagsabgeordneten in Berlin diskutierten.


Bischof Overbeck diskutierte mit Bundestagsabgeordneten in Berlin

Das Bistum Essen sieht in der aktuellen Sterbehilfe-Diskussion keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. „Die jetzige Rechtslage verwirklicht das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und ermöglicht ein menschenwürdiges Sterben“, heißt es in einem Positionspapier des Ruhrbistums, das Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck am Dienstagabend, 3. Februar, mit mehr als 30 Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin diskutierte. Begleitet wurde der Bischof von Vertreterinnen und Vertreter des Juristenrates und des Rates für Gesundheit und Medizinethik im Bistum Essen sowie der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg", die das Positionspapier gemeinsam erarbeitet hatten.

„Die Achtung vor der Würde des schwer kranken und sterbenden Menschen braucht mehr als bloßen Respekt vor dessen Selbstbestimmung“, betonen die Verfasser des Positionspapiers. Schwerkranke und Sterbende seien wie andere Menschen in anderen Lebensphasen auch auf Fürsorge und Unterstützung, auf ausreichende medizinische Versorgung und pflegerische Betreuung, insbesondere aber auch auf mitmenschliche Nähe und Zuwendung angewiesen. „Autonomie und Fürsorge gehören zur Grundkonstitution des Menschen.“ Die geschäftsmäßige beziehungsweise organisierte Beihilfe zur Selbsttötung solle unter Strafe gestellt werden, fordern die Autoren. Das gelte für Sterbehilfevereine aller Art sowie für Mediziner, die die Beihilfe zur Selbsttötung als ärztliche Aufgabe verstehen würden.

Das „Essener Papier“ weist darauf hin, dass bereits durch die heutigen Möglichkeiten der Palliativmedizin ein würdevolles Sterben innerhalb des rechtlichen Rahmens möglich sei, so wie es dem Patientenwunsch entspricht. Umfragen zeigten jedoch, dass sich mehr als 60 Prozent der Befragten über die derzeitigen Regelungen nicht hinreichend informiert fühlten. Deshalb, so die Autoren weiter, bedarf es „einer weitergehenden Aufklärung sowohl der Patientinnen und Patienten als auch der Ärzte und Ärztinnen über das Patientenverfügungsgesetz von 2009 als auch über die Möglichkeiten der palliativen Versorgung.

Ausdrücklich fordert das Positionspapier den Ausbau der Palliativmedizin. Dies betreffe sowohl die palliative Versorgung in den Krankenhäusern, die spezialisierte ambulante Palliativmedizin als auch die allgemeine palliative Versorgung. „Die Vermittlung von Kenntnissen in der Palliativmedizin müssen noch mehr als bisher in die ärztliche und pflegerische Ausbildung einbezogen werden“, heißt es. Nur ein wirklich flächendeckendes Netz, das palliative Versorgung unkompliziert sicherstellt, kann Betroffenen und deren Angehörigen Sicherheit für den letzten Lebensabschnitt geben. Deshalb sei eine öffentliche Debatte darüber notwendig, wie eine palliative Haltung und Versorgung gefördert werden könnten. Zugleich stellen die Autoren fest, dass eine gute palliative Versorgung zum Profil jedes katholischen Krankenhauses, Pflegeheims oder ambulanten Pflegestation gehören muss.

Die jetzige Debatte müsse als Wiederentdeckung einer „Kultur des Lebens und Sterbens“ verstanden werden, heißt es in dem Papier weiter. „Die unterschiedlichen Phasen des Sterbens müssen als Teil des Lebens begriffen werden.“ Für Ärzte, therapeutische Teams, Familien und andere Begleiter müsse es darum gehen, jedem Menschen am Ende des Lebens die Geborgenheit zu vermitteln, aus der eine autonome Entscheidung für das eigene Sterben getroffen werden kann.

Nicht zuletzt setzt sich das „Essener Papier“ für eine einheitliche Fassung des ärztlichen Standesrechtes im Sinne der Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung ein. Auf diese Weise könnten regionale Abweichungen beseitigt werden und die Rechte und Pflichten ärztlicher Kunst am Lebensende des Patienten nachvollziehbar und erkennbar einheitlich geregelt werden.

An der Diskussion in der Parlamentarischen Gesellschaft nahmen unter anderem teil: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder, die kirchenpolitischen Sprecher Dr. Franz-Josef Jung (CDU/CSU), Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) und Kerstin Griese (SPD), der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), die Vorsitzende des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Petra Sitte (Die Linke) sowie die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Verena Bentele. Auch zahlreiche Bundestagsabgeordnete aus dem Ruhrbistum gehörten zu den Teilnehmern der Diskussion.

Gesprächspartner des Bistums Essen waren neben Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck der Essener Geriater Professor Dr. Hans Georg Nehen, Sprecher des Rates für Gesundheit und Medizinethik, Alexander Mauer und Stefan Schulte, Sprecher des Juristenrates, Professor Dr. Andreas Jurgeleit, Richter am Bundesgerichtshof, sowie Dr. Michael Schlagheck, Direktor der Katholischen Akademie Die Wolfsburg, und Tobias Henrix, Geschäftsführer der gesellschaftspolitischen Räte im Bistum Essen.

Der Bundestag will bis Herbst 2015 die Sterbehilfe in Deutschland gesetzlich neu regeln. Dazu liegen parteiübergreifend fünf Entwürfe der Bundestagsabgeordneten vor. In diesen plädieren sie mit unterschiedlicher Intensität für die Unterbindung der organisierten Sterbehilfe oder unter bestimmten Bedingungen für ihre Zulassung. (ul)


Positionspapier des Bistums Essen zur Sterbebegleitung

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