Kirche muss in zukünftige Generationen investieren

Die Kirche ist nach Ansicht von Generalvikar Klaus Pfeffer überproportional für Ältere und Alte attraktiv, für die jüngeren Generationen aber immer weniger. Es gelte, in zukünftige Generationen zu investieren und bei anstehenden Verteilungskonflikten eine "innerkirchliche Generationengerechtigkeit" anzustreben.


Generalvikar Klaus Pfeffer sprach in der Akademie Schwerte

Vor einer „Missachtung der Bedeutung der kommenden Generationen“ warnt der Generalvikar des Bistums Essen, Klaus Pfeffer. „Wir sind als Kirche weit überproportional für Ältere und Alte attraktiv, und sie prägen mit wenigen Ausnahmen auch unser öffentliches Bild“, sagte er am 4. Februar auf der Strategie-Konferenz „Baustelle Zukunft – Herausforderung Demografie“ in der Akademie Schwerte. Die Kirche habe schon seit Jahren vielfach den Anschluss an die jüngeren Generationen verloren. „Wir leben und gestalten unsere Kirche aus der Perspektive der älteren Generationen, aus deren Lebens- und Kirchengeschichte, aus deren Denken und Vorstellungen heraus“, betonte Pfeffer in seinem Vortrag zum Thema „Der zweite Strukturwandel – Aufbruch statt Abbruch“.

Es werde kaum danach gefragt, wie junge Menschen „ticken“, und wenn – dann eher aus einer urteilenden Perspektive. „Haben wir Angst vor dem, was sie sagen? Haben wir Angst vor den radikalen Veränderungen, die dann notwendig wären?“, fragte der Generalvikar. Mit aller Kraft werde versucht, an dem festzuhalten, was war und was ist. Man tue so, als seien Veränderungen nicht nötig. „Kirchen sollen erhalten bleiben, ohne zu fragen, wer sie denn morgen noch besucht“, beklagt Pfeffer. Und wenn die junge Generation nicht mehr zur Kirche komme und ihren Lehren nicht mehr folge, „wollen wir auch nicht ernsthaft wissen, warum sie dies nicht tut, sondern verweisen eher auf die angeblichen Defizite der modernen Gesellschaft und ihrer jungen Generation“, so der Generalvikar. Und er fragte, ob in den Kirchen in die zukünftigen Generationen investiert werde, in Menschen, „die morgen und übermorgen den Gott Jesu Christi entdecken sollen?“ Werde nicht viel zu sehr „in Steine und Mauern der Vergangenheit“ investiert, in Initiativen und Projekte, „die uns selbst, den verbliebenen Katholiken und Protestanten der vergehenden Generationen und Milieus bedeutsam sind, aber an den Menschen anderer Milieus und Generationen vorbeigehen?“, fragte Pfeffer selbstkritisch.

Das Bistum Essen habe einen Dialogprozess angestoßen, um eine nüchterne und ehrliche Auseinandersetzung auch über diese Fragen zu führen. Es gehe letztlich um die Frage, wie eine Kirche gestaltet werden könne, die zukunftsfähig sein will, die für Menschen anziehend und interessant sei, Relevanz habe und das Christentum in einer sich wandelnden Moderne gegenwartsfähig erhalte.


Innerkirchliche Generationengerechtigkeit

All diese Fragen nach der zukünftigen Gestalt von Kirche berührten auch die Verteilung der Ressourcen. „Innerkirchliche Generationengerechtigkeit bedeutet, dass es bei den anstehenden Verteilungskonflikten nicht allein um den Erhalt dessen gehen darf, was Generationen von gestern wichtig war“, unterstrich der Generalvikar. Die Frage sei doch, wie der christliche Glaube Menschen von heute und morgen erreiche, bestärke und bereichere. Die Kirche von heute könne nicht so sein, „wie sie uns oder unseren Vorfahren gestern gefallen hat“. Es nutze nichts, „in Gebäude der Vergangenheit zu investieren, die heute nur wenige und morgen vielleicht gar keine Menschen mehr betreten“, so Pfeffer. Es brauche einen Mentalitätswandel, der sich vom Bewahren von Strukturen verabschiede und „Wandel als Chance für Entwicklung und Wachstum“ begreife. Stillstand und Rückwärtsgewandtheit sind nach Ansicht des Generalvikars gefährlich und schadeten den kommenden Generationen.

Eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahre sei die Anpassung der klassischen Strukturen an die neuen Realitäten. „Wir verfügen über zu viele Gebäude, die angesichts des demografischen Wandels und der gesamtgesellschaftlichen Veränderungen auf Dauer nicht mehr finanziert werden können und sie in dieser hohen Zahl auch nicht mehr benötigen“, so der Generalvikar. Die oft großen Kirchenräume seien künftig nicht mehr dazu geeignet, „um mit Menschen von heute und morgen dort angemessen Gottesdienst zu feiern“.


Denkmalschutz verursacht finanzielle Lasten

Doch zahlreiche Kirchen stünden unter Denkmalschutz. Sie kosteten Geld, das die Kirche immer weniger zur Verfügung habe. Manche Kirchengebäude seien ohne Frage erhaltenswert, weil sie geschichtliches Zeugnis einer bedeutenden Glaubenskultur seien. „Aber uns legt es schier untragbare Lasten und Pflichten auf, wenn unsere Kirchen unter Denkmalschutz gestellt werden und dabei keine Rücksicht auf die Realitäten der Gegenwart genommen wird“, so Pfeffer. Er fordert daher einen „ehrlichen und ernsthaften Dialog“ zwischen Kirche, Denkmalschutz und Politik, um eine „gute Balance zwischen dem Respekt vor der Vergangenheit und der Offenheit für einen in die Zukunft gerichteten Wandel“ zu finden.

Pfeffer beklagte, dass der Denkmalschutz zuweilen instrumentalisiert werde, um vor den gesamtgesellschaftlichen Veränderungen die Augen zu verschließen. „Wir können nicht alles Vergangene festhalten, weil wir dann gar nicht mehr in der Lage sind, das Zukünftige zu gestalten“, unterstrich der Generalvikar. Es stelle sich die Frage, ob die Kirche Kraft und Geld in Denkmäler der Vergangenheit investiere oder in die Menschen und deren Zukunft. Pfeffer: „Es wäre absurd, wenn wir wichtige finanzielle Ressourcen in die Sicherung unter Schutz gestellter Kirchengebäude investieren, die nicht mehr genutzt werden können.“ (do)


Vortrag von Generalvikar Klaus Pfeffer

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