Kirche und Stadt gehören zusammen

Die Stadt als "bevorzugten Wohnort Gottes" zu erkennen und daraus Konsequenzen für pastorales und caritatives Handeln zu ziehen, das ist für Weihbischof Franz Vorrath die zentrale Aufgabe der Zukunft. Er sprach auf dem 7. Studientag "Caritas und Pastoral" in Essen, der unter dem Thema "Kirche findet Stadt" stand.

Weihbischof Franz Vorrath beim 7. Studientag „Caritas und Pastoral“

Kirche und die Stadt sind für den Essener Weihbischof Franz Vorrath, Bischofsvikar für die Caritas, keine Gegensätze, sondern „zwei Brennpunkte einer Ellipse“.  Zwischen diesen beiden Brennpunkten werde sich in Zukunft zeigen, „ob Kirche Stadt findet“, betonte Vorrath auf dem 7. Studientag „Caritas und Pastoral“ in Essen, der diesmal unter dem Thema „Kirche findet Stadt“ stand.

„Warum soll sich denn die Stadt für die Kirche und die Kirche für die Stadt interessieren?“, so die rhetorische Frage des Weihbischofs. Viele Kirchen würden sich doch als Rückzugsorte vor dem „pulsierenden und häufig auch Angst machenden Impetus der Stadt“ verstehen. Auf der anderen Seite hätten doch die meisten Städter die Kirche schon längst im „Dorf“ gelassen, in einem Dorf, „wo Kirche ohne Bedeutung und Relevanz für das alltägliche Leben ihr Dasein fristen soll“, so Vorrath. Schon der Blick in die Bibel  zeige,  „dass Stadt und Glaube, dass der Gott des Himmels mit den Städten der Welt verbunden“ sei. Hier gebe es eine „Geschichte zwischen Gott und den Städten“. Ob der Turmbau zu Babel, der Auszug des Volkes Israel aus der Tempelstadt Ur oder die Heilige Stadt Jerusalem – immer gehe es um das Motiv der Stadt. „Ist die Stadt also der Ernstfall der Religion?“, fragte Vorrath.


Spannungen zwischen arm und reich

Gerade im Bistum Essen, das im Grunde ja eine Zusammenballung vieler Städte sei, werde man sich mit dieser Frage beschäftigen müssen. „Die Seelsorge, aber auch die Caritas stehen hier vor epochalen Herausforderungen“, betonte der Weihbischof vor den rund 90 Teilnehmern des Studientages. Schon heute wisse man, dass sich viele überkommene Modelle der Pastoral und der Caritas nicht in der bisherigen Form aufrechterhalten ließen. „Auch darin entspricht die Kirche der Stadt: Beide sind ständig im Umbruch. Beide müssen sich ständig erneuern, um auf dem Laufenden zu bleiben“, so Vorrath. Eine Stadt sei eine ständige „Baustelle“. Diese Unruhe und Dynamik werde auch die Kirche ergreifen, habe sie teilweise schon ergriffen. „Denn hier, mitten unter uns, ereignen sich tagtäglich auf engstem Raum sichtbare und unsichtbare Spannungen zwischen arm und reich, zwischen fremd und heimisch, zwischen religiös und atheistisch, zwischen dynamisch und lethargisch“, unterstrich der Weihbischof. Es gebe tagtäglich „große humane Gesten und soziale Initiativen“, aber auch „soziale Verrohung, brutalste Abstumpfung und Anonymität“.


Konsequenzen für Seelsorge und Caritas

Deshalb sei es für die Kirche von größter Wichtigkeit, die Augen offen zu halten. „Es ist eine gute kirchliche Tradition, in der Wahrnehmung und teilnahmsvollen Begegnung mit der Realität im sozialen Raum den Ursprung für viele unserer Initiativen und Bemühungen zu sehen“, so Vorrath. Denn die „Stimmen der Stadt“ seien der „Ruf Gottes an uns Christen“.  Die Unruhe der Stadt fordere in gutem Sinn das Christentum heraus und bewahre es an mancher Stelle vor selbstzufriedener Lethargie. „Die Gegenwart Gottes lässt sich nicht an Kirchengebäude oder Verwaltungseinheiten binden“, stellte der Weihbischof klar. Diese Gegenwart in den Ereignissen und Entwicklungen der Stadt wahrzunehmen, die „Stadt als bevorzugten Wohnort Gottes“ zu erkennen und daraus auch Konsequenzen für pastorales und caritatives Tun zu ziehen, das sei die zentrale Aufgabe der Zukunft.

Referenten auf dem Studientag, an dem haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der Caritas im Ruhrbistum, des Bischöflichen Generalvikariates und der Pfarreien teilnahmen, waren der Kölner Theologieprofessor Dr. Hans-Joachim Höhn („Urban Theology: Die Stadt – Die Kirche – Das Leben“) und der Bochumer Sozialgeograph Professor Dr. Andreas Farwick („Alles im Fluss? Ruhrgebiet 2020: Zentrale Themen im Sozialraum Ruhr“).

Die Berliner Stadtplanerin Dr. Petra Potz, stellte das derzeit bundesweit laufende ökumenische Projekt „Kirche findet Stadt“ vor. Mit diesem wollen die Evangelische und Katholische Kirche mit ihren Wohlfahrtsverbänden die Rolle von Kirche in ihren unterschiedlichen Facetten als Akteur der integrierten Stadtentwicklung untersuchen und weiterentwickeln. An Referenzstandorten mit kirchlichen Initiativen in ganz Deutschland soll aufgezeigt werden, wie Stadtentwicklung bereits jetzt durch das Engagement der Kirchen unterstützt wird. (do)

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