Das Verborgene erahnen

Für die Kirche Heilig Kreuz in Gladbeck hat die Aachener Textilkünstlerin Claudia Merx ein neues Fastentuch geschaffen. Sie ist Siegerin des bundesweiten künstlerischen Wettbewerbs "ars liturgica", den der Kunstverein im Bistum Essen e.V. im vergangenen Jahr ausgelobt hatte.



Claudia Merx schuf Fastentuch für die Heilig-Kreuz-Kirche in Gladbeck

Ein großes Fastentuch hängt jetzt in der Kirche Heilig Kreuz in Gladbeck-Butendorf. Entworfen und realisiert hat es die renommierte Textilkünstlerin Claudia Merx aus Aachen. Sie war als Siegerin aus dem bundesweiten künstlerischen Wettbewerb „ars liturgica“ hervorgegangen, den der Kunstverein im Bistum Essen e.V. im vergangenen Jahr ausgelobt hatte. Aufgabe war die Gestaltung eines zeitgemäßen Fastentuches speziell für die denkmalgeschützte Heilig-Kreuz-Kirche gewesen. Aus 51 Beiträgen wurde der Entwurf von Merx als erster Preis ausgewählt worden.

Die etwa 1000jährige liturgische Tradition der Fastentücher sieht vor, während der österlichen Bußzeit den Altar oder den Chorbereich einer Kirche zu verhängen und den Blicken der Gemeinde zu entziehen. Bei der aktuellen Realisierung ging es den Auslobern darum, dem Betrachter mit einem optischen Eingriff in den Kirchenraum neue Perspektiven zu eröffnen: Vertrautes soll fremd, Gewohntes anders erfahren werden. Wesentliches soll in den Blick kommen.

Da hängt es nun: Ein großes, langes, sich verjüngendes Tuch, eine aus immer schmaler werdenden Streifen zusammengenähte Spirale, über eine Stange gehängt, wie eine zufällig hingeworfene, leere Hülle. Sieben Meter hoch, etwa fünf Meter vor dem Altar mit dem Tabernakel und der Kreuzigungsgruppe schwebend, leicht den Bewegungen der Luft folgend, aus leichtem Leinen gewebt, so durchlässig, dass die Struktur des Objektes und ein wenig Licht durchscheint.

Propst André Müller, der den Gottesdienst zur Vorstellung des neuen Fastentuches feierte, ging in seiner Predigt intensiv auf das Kunstwerk ein, das Begriffe wie Hülle, Spirale, Verwundung, Gewand, Verpuppung, Verwandlung  und Leichentuch evoziere.

In ihrem Grußwort erläuterte Dr. Birgitta Falk die Vorgeschichte des Tuches als Beitrag für den Wettbewerb „ars liturgica“. Die Jury sei einhellig überzeugt gewesen von der puristischen Lösung, die horizontal wie vertikal in den Raum greife, sowie von dem einfachen aber ausdrucksstarken Material und der tiefen und vielschichtigen symbolischen Bedeutung des Entwurfs. Falk wies darauf hin, dass das Tuch mitsamt seinem Entwurf, aber auch die Entwürfe der beiden anderen Preisträger - Dorothée Aschoff aus Neustatt und Sebastian Richter aus Halle - sowie ausgewählter anderer Teilnehmer am Wettbewerb vom 16. Mai bis zum 21. Juli in einer Ausstellung im Kardinal-Hengsbach-Haus in Essen-Werden zu sehen sein wird.

Die Gemeindemitglieder sind durchweg beeindruckt vom neuen Fastentuch: „Eindrucksvoll“, „Gefällt mir gut“, „Habe ich mir so nicht vorgestellt“, Bin sehr überrascht, aber positiv“ waren einige der Rückmeldungen.

Spannend wurde es, als die Künstlerin selbst zu Wort kam, indem sie auf Fragen aus der interessierten Gemeinde antwortete. „Warum hängt das Tuch so weit vorn, man kann zumindest von der Seite Altar und Kreuzigungsfiguren noch erkennen?“ wollte jemand aus den seitlich stehenden Bänken wissen. Merx erläuterte, dass Fastentücher traditionsgemäß den ganzen Altarraum verhängen. Hier hänge es im Triumphbogen bewusst mit großem Abstand. Ihr ginge es nicht darum zu verdecken oder gar einzupacken wie der Künstler Christo, sondern um das Verbergen und Verändern des Raumes. Das Dahinterliegende solle durchaus noch zu erahnen sein, es sei ja nicht verschwunden.

Auch technische Dinge interessierten, so die Frage nach den Nähten. „Die Länge der Naht, die die einzelnen Streifen zusammenhält, beträgt etwas mehr als 1000 Meter“, berichtete die Künstlerin. Um Platz für die Herstellung des insgesamt 14 Meter langen Objektes zu schaffen, habe sie ihre Werkstatt komplett ausräumen müssen.

Am Ende überraschte und beeindruckte die Antwort auf die Frage, wie groß denn das Team sei, das daran gearbeitet habe. Claudia Merz berichtete, dass sie das ganze Fastentuch allein konzipiert und schließlich auch ausgeführt habe. Der handwerkliche Prozess gehöre für sie zum künstlerischen dazu.


Stichwort ars liturgica
Unter der Schirmherrschaft des Bischofs von Essen hat der Kunstverein im Bistum Essen e.V. im letzten Jahr zum zweiten Mal, gemeinsam mit dem Deutschen Liturgischen Institut in Trier und dem Liturgiewissenschaftlichen Lehrstuhl an der Ruhr-Universität Bochum, den Gestaltungswettbewerb ars liturgica ausgelobt. Ziel ist, dass jeweils eine Gestaltungsaufgabe aus dem sakralen Bereich künstlerisch bearbeitet wird: ein liturgisches Gerät oder Geräteensemble (Kelch und Hostienschale, Monstranz, Rauchfass etc.), liturgische Kleidung (Messgewand, Dalmatik, Pluviale, Mantelalbe etc.), ein liturgischer Ort (Altar, Ambo, Taufort, Tabernakel, Vorstehersitz etc.), ein liturgisches Buch (Evangelistar, Lektionar etc.) oder ein Element der künstlerischen Ausstattung (Bild, Skulptur, Tuch, Glasmalerei etc.).  In der Gestaltung sind neue Wahrnehmungs- und Herangehensweisen ausdrücklich erwünscht. Das Objekt soll für einen konkreten Kirchenraum im Bereich des Bistums Essen gestaltet werden. Die für den Kirchenraum zuständige Pfarrei bewirbt sich um die Teilnahme an ars liturgica und sagt die Ausführung oder den Ankauf des Objektes und dessen regelmäßige Nutzung bzw. Aufstellung, Installation zu.  Der Wettbewerb findet seit 2010 alle zwei Jahre statt. (bf)

Pressestelle Bistum Essen

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