Wer teilt, gewinnt

In einer Zeit, in der die Tage zusehens kürzer werden, häufen sich ungewöhnliche Lichterscheinungen auf den Straßen. Was haben diese Erscheinungen mit religiösem Brauchtum zu tun und was verraten sie über die christliche Botschaft?

Am 11. November gedenkt die Kirche des heiligen Martin

Es ist ein in vielerlei Hinsicht besonderes Fest. Schon die Art und Weise, wie es sich ankündigt, ist ungewöhnlich: Etwa zu der Zeit, wenn einem unweigerlich klar wird, dass die Tage kürzer und kälter geworden sind - in einem mithin eher betrüblichen Moment - etwa zu dieser Zeit also, beginnen sich auf den Straßen und Wegen ungewöhnliche Lichterscheinungen zu häufen. In der zunehmenden Dunkelheit tauchen immer öfter bunte Lichtreflexe auf, die sich schon bald als Martinszüge entpuppen. In einer Heimeligkeit, als seien sie just einem Ali-Mitgutsch-Band entstiegen, schwenken die zumeist kleinen Träger ihre selbstgebastelten Laternen durch die Dämmerung.

"Die Lichterumzüge haben ihr Vorbild in der liturgischen Lichterprozession während der ersten Vesper am Vorabend eines hohen Feiertages", weiß der Brauchtumsexperte Manfred Becker-Huberti. Zum Teil ersetzen die Laternenumzüge die ebenfalls zu dieser Zeit üblichen Martinsfeuer. Sie werden oft mit der Geschichte der Mantelteilung verbunden. In einem Winter um das Jahr 334 erbarmte sich demnach ein junger Offizier der kaiserlichen Garde eines Bettlers vor dem Stadttor von Amiens. Er teilte seinen Mantel und gab eine Hälfte dem Armen. Die Erzählung ist der eigentliche Anknüpfungspunkt zu dem Heiligen, dessen Gedenktag der 11. November ist: Martin von Tours.

Die tradierte Szene ist in doppelter Hinsicht bedeutsam. Zum einen veranschaulicht sie die christliche Botschaft vom Teilen. "Wer teilt, gewinnt. Wer sich erbarmt, der erbarmt sich Christi. Der praktizierte christliche Glaube ist wie eine Fackel in tiefer Nacht: Es wird hell und warm", so Becker-Huberti. Zum anderen markiert sie auch einen Wendepunkt im Leben des Heiligen Martin. Nicht lang nach diesem Ergeignis trat er aus dem Militärdienst aus und ließ sich taufen. Etwa um 371/372 wurde er - selbst zunächst widerstrebend - mit großer Zustimmung der Bürger von Tours zum Bischof geweiht. Sankt Martin verkörperte durch seine asketische und bescheidene Lebensweise das neue Ideal eines Bischofs. Er war die erste Gestalt in der Kirchengeschichte, die nicht etwa aufgrund ihres Märtyrertods, sondern ihres besonderen Lebenswandels den Grad der Heiligkeit erlangte. (pp)

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