Vielfältige Kirche: „Es gibt so viel Potential“

Pioniere aus Essen-Frintrop stellen in Wattenscheid Erfahrungen aus 20 Jahren „Laienpredigt“ vor: Ein Zukunftsprojekt für die Kirche im Bistum Essen.

Pioniere aus Essen-Frintrop stellen in Wattenscheid Erfahrungen aus 20 Jahren „Laienpredigt“ vor: Ein Zukunftsprojekt für die Kirche im Bistum Essen.  

Dass Christen in der Messe offen über ihren persönlichen Glauben sprechen, ist in der katholischen Gottesdienstordnung nicht vorgesehen. Katholiken aus St. Josef, Essen-Frintrop, leisten hier Pionierarbeit: Seit 20 Jahren sprechen sie als gewöhnliche Gemeindemitglieder in der Sonntagsmesse zu den Bibeltexten des Tages. Ihre Initiative stellten sie nun gemeinsam mit dem Generalvikar des Bistums Essen, Klaus Pfeffer, am Mittwoch, 27. Januar, in der Gesprächsreihe „Manege frei – Kirche auf dem Drahtseil“ in Bochum-Wattenscheid-Höntrop vor.

Die Geschichte der Laien-Ansprachen in St. Josef fasste Dr. Herbert Fendrich, Gründungsmitglied des sogenannten Ansprache-Kreises, kurz zusammen: Wie vor 20 Jahren der damalige Pastor von St. Josef seinen Abschied ankündigte und in Aussicht stellte, ab sofort nicht mehr zu predigen. Wie sich eine kleine Gruppe von Gemeindemitgliedern fand, die trotz einiger Skrupel angesichts der anspruchsvollen Aufgabe bereit war, einen Teil der sonntäglichen Ansprachen zu übernehmen. Wie der damalige Kaplan von St. Josef – der heutige Generalvikar Klaus Pfeffer – und der damals neue Pfarrer Wolfgang Haberla die Gruppe von Anfang an unterstützten, obwohl das Kirchenrecht die „Laien-Predigt“ eigentlich streng verbietet.

Ansprachen von Laienchristen befeuern das kirchliche Leben

Zum 20-jährigen Jubiläum hat die Gruppe jüngst beim Herder-Verlag das Buch „Wenn Laien zu Wort kommen. Ein ungewöhnlicher Dienst“ herausgegeben, in dem die Geschichte des Ansprache-Kreises von St. Josef und eine Auswahl seiner Texte nachzulesen sind. Im mit rund 70 Zuhörern gut besetzten Gemeindehaus von St. Maria-Magdalena in Wattenscheid-Höntrop ging es jedoch vor allem um die Frage: „Wie können wir die Erfahrungen aus Essen-Frintrop für andere Gemeinden nutzbar machen?“ Denn dass ganz normale Christen öffentlich über ihre Glaubenserfahrungen sprechen, ist Ziel eines der ersten 20 Projekte, mit denen der Zukunftsbildprozess im Bistum Essen das kirchliche Leben befeuern will. Generalvikar Klaus Pfeffer bescheinigt den Frintroper Pionieren, die Sache „lebensnah und im guten Sinne einfach“ anzugehen, auch wenn für sie gleichermaßen wie für jeden Gemeindepfarrer gelte: „Eine gute Predigt braucht stundenlange Vorbereitung.“

Die fünf der insgesamt sieben Akteure des Ansprache-Kreises, die den Abend in Wattenscheid begleiteten, decken ein Altersspektrum zwischen 40 und 60 Jahren ab, leben in unterschiedlichsten Familienformen und Berufen vom Banker über die Religionspädagogin bis zum Musiktherapeuten. „Und wir sind auch ganz unterschiedlich fromm und gehen sehr individuell an unsere Aufgabe heran“, sagte Herbert Fendrich, „was glauben Sie, wie stark Sie den Banker heraushören können.“

„Die Zeit ist reif. Was sollen wir tun?“

Aus der Runde der Zuhörer kam die Einschätzung: „Es ist ja nicht nur der Priestermangel, der den Einsatz der Laienchristen erzwingt. Die Zeit dafür ist reif.“ Generalvikar Pfeffer sieht das ebenso: „Es gibt so viel Potential.“ Zugleich bleibe er Realist: Die aktuelle Notsituation baue zum Glück den entsprechenden Druck auf, etwas in der Kirche zu verändern, sagte Pfeffer. Die an diesem Abend gastgebende Gemeinde St. Maria Magdalena hat bereits reagiert und stellt auf ihrer Homepage www.höntrop-kirche.de unter „Aktuelles“ wöchentlich einen von Gemeindemitgliedern geschriebenen Impuls zum Sonntag ein.

„Was also sollen wir tun?“, fragte eine Zuhörerin. Sabine Lethen aus Essen-Frintrop empfiehlt: Nicht Frintrop einfach klonen, sondern schwanger gehen mit der Idee des Glaubenszeugnisses und sich fragen: Wie bleiben wir authentisch? Was würde zu unserer Gemeinde passen? „Man braucht natürlich Mut und Rückendeckung aus der Pfarrei“, sagte Lethen, „aber dann los!“ (cs)

Herbert Fendrich, Arnd Brechmann, Markus Weckesser (Hg.), Wenn Laien zu Wort kommen. Ein außergewöhnlicher Dienst. Freiburg: Verlag Herder 2015. ISBN 978-3-451-34835-8. 19,90 Euro.

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