Umkehr in der Atompolitik

In seinem "Wort zum Sonntag" sprach der Essener Pastor Gereon Alter am späten Samstagabend in der ARD zum Thema „Umkehr in der Atompolitik“. Hierbei nahm er auch Bezug auf die Katastrophe in Japan.

Wort zum Sonntag - 19. März 2011 - von Pastor Gereon Alter:

Drei Schlagzeilen der letzten Tage:
"Umkehr in der Atompolitik." – "Nach Japan ist nichts mehr so wie es war." – "Wir werden den Ausstieg beschleunigen."

Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Denn von echter Umkehr vermag ich noch wenig zu erkennen. Ich höre Börsenfachleute, die davon sprechen, dass sich die japanische Wirtschaft schnell erholen werde. Und dass die Ereignisse in Japan nur geringe Auswirkungen auf die europäischen Aktienmärkte haben werden.

Ich höre Politiker, die krampfhaft um Worte ringen, weil sie wahlentscheidend sein könnten. Und weil man sie beim Worte nehmen könnte.

Ich höre Wirtschaftsbosse sagen, dass das mit dem Ausstieg ja so nun doch nicht gehe. Und dass man im Zweifelsfall klagen werde. Ist das nicht das, was wir auch vorher schon hatten? Ist das nicht der alte Weg? – Was aber wäre dann echte Umkehr?

In der Bibel gibt es eine Geschichte, in der es genau darum geht. Eine große Stadt droht unterzugehen. "Noch vierzig Tage, und Ninive ist zerstört!" ruft der Prophet Jona den Menschen zu. "Kehrt um, und lasst von dem Unrecht ab, das an euren Händen klebt!" Die Menschen kehren tatsächlich um und bleiben vor dem Allerschlimmsten verschont. Zwei Dinge waren dafür ausschlaggebend.

Erstens: "Der König stieg von seinem Thron, legte seinen Königsmantel ab und hüllte sich in ein Bußgewand." – Was bedeutet das heute? Der Börsenfachmann steigt von seinem hohen Ross. Der Politiker hört auf zu taktieren. Der Wirtschaftsboss nimmt die Nöte der Menschen ernst. So würde ich diesen Gestus deuten. Es geht um eine neue Erdung. Um ein echteres Sprechen. Und darum, die ernst zu nehmen, die unter den Folgen der schrecklichen Katastrophe leiden.

Als der japanische Ministerpräsident für einen Augenblick die Contenance verlor und die Kraftwerksbetreiber anherrschte: "Was zum Teufel ist da wirklich los?!": Da war etwas von dieser Echtheit und Ernsthaftigkeit zu spüren. Davon brauchen wir mehr. Auch in unserem Land.

Und das Zweite, das den Menschen von Ninive geholfen hat, wirklich umzukehren: "Sie alle, groß und klein, zogen Bußgewänder an." Jeder von ihnen übernahm Verantwortung. Die Wende in der Atompolitik ist nicht machbar ohne unser aller Mittun. Jeder einzelne ist gefordert. Es geht nicht an, denen "da oben" auf die Finger zu schlagen, selbst aber keinen Finger zu rühren.

Wir werden einen Preis zu bezahlen haben, wenn wir stärker auf erneuerbare Energien setzen wollen. Und den dürfen nicht die Schwachen in unserer Gesellschaft zahlen. Den müssen wir alle zahlen. Mit Geld gegebenenfalls.

Vor allem aber mit der Bereitschaft, unsere Lebensweise zu überprüfen. Die deutschen Bischöfe haben darauf bereits vor dreißig Jahren hingewiesen: Alle politischen, technischen und wirtschaftlichen Programme bleiben Makulatur, wenn es dem Einzelnen nicht gelingt, anders leben zu lernen. So, dass alle leben können. Um diesen Zusammenhang geht es. Um eine echte Umkehr derer "da oben". Und um eine ebenso echte Umkehr eines jeden Einzelnen von uns. Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!

Pressestelle Bistum Essen

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