Papst bittet Missbrauchsopfer um Verzeihung

Papst Benedikt XVI. hat die Opfer sexuellen Missbrauchs um Verzeihung gebeten und für die Täter Umkehr und Strafe gefordert. "Im Namen der Kirche bekunde ich offen die Scham und Reue, die wir alle empfinden", heißt es in einem Hirtenbrief des Papstes an die irischen Katholiken.

Vatikanstadt. Papst Benedikt XVI. hat die Opfer sexuellen Missbrauchs um Verzeihung gebeten und für die Täter Umkehr und Strafe gefordert. "Im Namen der Kirche bekunde ich offen die Scham und Reue, die wir alle empfinden", heißt es in einem persönlichen Hirtenbrief des Papstes an die irischen Katholiken. In dem am Samstag in Rom veröffentlichten Schreiben äußert er sich "schockiert und verletzt" über die "sündigen und kriminellen Handlungen" durch Geistliche. Täter ruft er zur Rechenschaft vor weltlichen und kirchlichen Gerichten, Bischöfen hält er "schwere Fehlurteile und Versagen in der Leitung" vor. Für einige Bistümer, Priesterseminare und Orden kündigt der Papst vatikanische Untersuchungskommissionen an.

Das Problem des Kindesmissbrauchs sei "weder spezifisch für Irland noch für die Kirche", betont der Papst, ohne jedoch eigens auf die Situation in Deutschland einzugehen. Die katholische Gemeinschaft müsse die Krise mit Mut und Entschlossenheit angehen. "Niemand erwartet, dass diese schmerzliche Situation schnell gelöst wird. Echter Fortschritt wurde gemacht, aber viel mehr bleibt noch zu tun", so der Papst. Zugleich erklärte er seine Bereitschaft, mit Missbrauchsopfern persönlich zusammenzutreffen.

Zu Beginn seines Schreibens, das mit einem Umfang von 20 Druckseiten auf Englisch erschien, verweist der Papst auf die "offenen und konstruktiven" Gespräche mit den irischen Bischöfen während des Krisengipfels im Februar im Vatikan. Die Oberhirten seien jetzt "besser in der Lage, die Arbeit der Wiedergutmachung vergangenen Unrechts voranzubringen". Diese müsse den Erfordernissen der Justiz und der Lehre des Evangeliums entsprechen.

Eigens spricht der Papst die Missbrauchsopfer und ihre Familien an: "Ihr habt schmerzlich gelitten, und das tut mir aufrichtig leid. Ich weiß, dass nichts das Unrecht ungeschehen machen kann, das ihr erlitten habt." Ihr Vertrauen sei verraten, ihre Würde verletzt worden; viele hätten mit Anzeigen kein Gehör gefunden. Es sei verständlich, dass ihnen Vergebung schwer falle, so Benedikt XVI. Dennoch bitte er sie "demütig", an die heilende Kraft der Liebe Jesu zu glauben.

Den Tätern droht er Rechenschaft "vor dem allmächtigen Gott und vor den zuständigen Gerichten" an. Die betreffenden Priester und Ordensleute hätten "Schande und Unehre" über ihre Mitbrüder gebracht; zusätzlich zu der "ungeheuren Verletzung für die Opfer" sei auch dem Ansehen der Kirche schwerer Schaden zugefügt worden. "Erkennt eure Schuld offen an, unterwerft euch den Forderungen des Rechts, aber verzweifelt nicht an Gottes Barmherzigkeit", so der Papst. Verständnis äußert er für unschuldige Kleriker, die sich für die Fehler anderer verantwortlich gemacht sähen oder "enttäuscht, irritiert und verärgert" über das Krisenmanagement ihrer Vorgesetzten seien.

Harte Worte richtet der Papst gegen einige Bischöfe, denen er teils Versagen bei der Anwendung der kirchenrechtlichen Vorschriften zum Umgang mit Kindesmissbrauch vorwirft. Bei der Reaktion auf Hinweise, in der Beurteilung von Fällen und in Leitungsentscheidungen seien "schwere Fehler" gemacht worden. Nachdrücklich ruft er die Oberhirten auf, weiterhin mit der zivilen Justiz in deren Zuständigkeitsbereich zusammenzuarbeiten. Die Kirchenrechtsnormen zum Schutz von Kindern würden "kontinuierlich überarbeitet".

Zusätzlich zu Apostolischen Visitationen kündigt der Papst eine neue "Mission" in Form von Exerzitien und theologisch-geistlichen Schulungen für alle Kirchenverantwortliche an. Für die gesamte irische Kirche ruft ab sofort eine einjährige Bußzeit aus. Jeden Freitag sind die Gläubigen als Sühne für die Verfehlungen zu Fasten, Gebet, Bibellesung und guten Werken aufgerufen.

Zugleich verwahrt sich der Papst gegen den Vorwurf der Untätigkeit seitens der Kirche. Seit die Schwere und das Ausmaß des Missbrauchsproblems in katholischen Einrichtungen erkannt sei, habe die Kirche eine "ungeheure Arbeit in vielen Teilen der Welt geleistet", um es zu beseitigen.

In der Analyse der Ursachen für die Krise verweist Benedikt XVI. auf den sozialen Wandel der vergangenen Jahrzehnte und eine "manchmal missverstandene" Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65). Dabei habe es eine "gut gemeinte, aber verfehlte Tendenz" gegeben, kirchliche Strafnormen zu milde anzuwenden. Der Kindesmissbrauch stehe in einem Kontext allgemeinen Glaubensschwunds. Die Krise habe das Evangelium mehr verdunkelt als Jahrhunderte von Christenverfolgung.(kna)

Dokument: Der Hirtenbrief von Papst Benedikt XVI. an die Katholiken in Irland

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