Norbert Lammert über Vertrauen in Politik und Kirche

Das Unvermögen, eine belastbare Verbindung zu schaffen zwischen den Institutionen und den Menschen, die für diese Institutionen stehen, ist für Bundestagspräsident Norbert Lammert eine der Hauptursachen für den zunehmenden Vertrauensverlust in der Gesellschaft. Das betonte er bei den 50. Essener Gesprächen in Mülheim.


Auftakt der 50. Essener Gespräche in der „Wolfsburg“ in Mülheim

Vertrauen ist eine Grundvoraussetzung in der persönlichen Beziehung. Fehlt es, kann vielleicht ein Paartherapeut helfen. Wer oder was hilft aber den Kirchen, verloren gegangenes Vertrauen zurück zu gewinnen? Und wie kann der Staat, wie können Parteien Vertrauen zurückgewinnen? Antworten darauf suchten die Teilnehmer der 50. Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche in der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg" in Mülheim, zu der Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck am Montag eingeladen hatte.

Nein, Patentrezepte wurden erwartungsgemäß nicht verteilt. Aber Bundestagspräsident Norbert Lammert gab in seinem Vortrag doch etliche Anhaltspunkte für Antworten, indem er eine der Hauptursachen für den wachsenden Vertrauensverlust in der Gesellschaft ausmachte: Es gelinge nicht, eine belastbare Verbindung zu schaffen zwischen den Institutionen und den Menschen, die für diese Institutionen stehen.

Was er damit meinte, erläuterte er mit Beispielen: "Fragen Sie nach dem Vertrauen in Banken, sagen die Menschen: Eine lausige Gesellschaft ist das. Fragen Sie aber nach dem persönlichen Bankberater, sagen sie: Den kenne ich, der ist in Ordnung." Ebenso sei es bei den Politikern: Nach der Gruppe gefragt, fielen in Umfragen die Ergebnisse niederschmetternd aus. Gefragt aber nach dem jeweiligen Abgeordneten oder dem Bürgermeister, laute das Urteil: Den kenne ich, der ist in Ordnung. Ähnlich ergehe es den Kirchen. "Wieso", fragte der Bundestagspräsident, "gelingt es uns nicht, eine belastbare Brücke zu bilden zwischen den Personen und den Institutionen?"


Autorität muss immer wieder neu erarbeitet werden

Für ihn ist das eine der Kernfragen, die er dem hochkarätig besetzten Publikum stellte, darunter Peter Müller, Richter am Bundesverfassungsgericht, Ernst Gottfried Mahrenholz, früher Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, sowie der ehemalige bayerische Kultusminister Hans Maier. Eine der Antworten Lammerts lautete: "Wir müssen Zusammenhänge erläutern." Es reiche eben nicht mehr, nur die richtigen Entscheidungen zu treffen, sie müssten auch begründet werden. Und: Autorität müsse immer wieder neu erarbeitet werden; Autorität qua Amt gebe es nicht mehr. "Wer meint, er besitze sie, hat die Autorität schon verloren", gab er seinen Zuhörern mit auf den Weg.

Am Ende blieb Lammert jedoch optimistisch. Der Folgerung, Vertrauensverlust münde in Politikverdrossenheit, schloss er sich ausdrücklich nicht an. Wenn eine Mehrheit der Bürger nicht rundum zufrieden sei mit der Leistung von Personen oder Institutionen, dann sei das "mindestens auch" ein Hinweis auf "einen Zuwachs an Urteilsvermögen", so der Politiker.

Dass verloren gegangenes Vertrauen nicht nur die Gesellschaft insgesamt schwächt, sondern auch sehr konkrete Auswirkungen haben kann, machte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck in seiner Eröffnungsrede klar. Nicht nur die ansteigenden Kirchen-Austrittszahlen seien ein großes Problem. Es sei auch immer schwieriger, Ehrenamtliche für die Mitarbeit in der Kirche zu gewinnen. Vertrauen ist eine Grundvoraussetzung für jede Beziehung - nicht nur für den Staat, auch für die Kirche hat sie durchaus existenzielle Bedeutung. (KNA)

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