Musikfest-Trubel und Besinnung im Dom

Während auf den Straßen der Essener Innenstadt am Wochenende das "Essen Original"-Festival für ausgelassene Stimmung sorgte, lud die "Nightfever"-Initiative am Samstagabend zu Ruhe und Besinnung in den Dom. Eine Einladung, der auch zahlreiche Festival-Besucher folgten.


Ein Lichtermeer auf den Altarstufen

Auf der Kettwiger Straße riecht es nach Pommes und Popcorn. Vom benachbarten Kennedyplatz wummern rockige Bässe herüber. Auch zu später Stunde sind an diesem Wochenende noch jede Menge Leute in der Innenstadt unterwegs. „Essen Original“, das „Umsonst&Draußen“-Musikfest der Ruhrstadt, zieht wieder Zehntausende, meist junge Leute in die City.

Nur eine Kirchenmauer entfernt gibt es das totale Kontrastprogramm, eine andere Welt: Die Initiative „Nightfever“ hat zur „offenen Kirche“ in den Dom geladen, zu Ruhe statt Remmidemmi, Kerzenlicht statt Scheinwerfern und einfachem Gesang statt ausgefeilter Bühnenshows. Auf dem Altar steht eine Hostie in einer goldenen Monstranz, rot-weißer Stoff scheint von dort die Altarstufen hinab zu fließen, bis dieser Strom an der untersten Stufe in ein Lichtermeer mündet. Jeder, der an diesem Abend den Weg in den Dom findet, ist eingeladen hier ein Teelicht zu entzünden, eine Gebetsbitte aufzuschreiben und einen Zettel mit einem Bibelvers mitzunehmen.

Vor diesem Lichtermeer treffen sich die Welten: Die Gläubigen, die teils über Stunden in den Bänken des Mittelschiffs sitzen und angesichts des Allerheiligsten tief im Gebet versunken sind, die Jugendlichen, die sich vorn auf Decken und Gebetshockern eingerichtet haben, um dem Altar ganz nahe zu sein – und die Menschen, die an diesem Abend spontan den Weg in den Dom gefunden haben, die auf der Straßen angesprochen wurden, in der Kirche eine Kerze zu entzünden, und dieser Einladung gefolgt sind. Sichtlich unsicher tasten sich einige von ihnen vom hinteren Eingang durch den dunklen Mittelgang, das geschenkte Teelicht in der Hand und das leuchtende Kerzenlicht vorn in der Kirche fest im Blick. Oben auf der Orgelbühne macht derweil eine kleine Band Musik. Mit Gospeln, meditativen Gesängen und einzelnen Texten sorgen sie trotz des Besucherstroms für eine ruhige Atmosphäre im Dom, ohne dass es still wird.

Die beiden Messdiener Lea (15) und Lukas (16) aus Gelsenkirchen sind zwei der Helfer, die an diesem Abend vor dem Dom mitten im Strom der vorbeiziehenden Passanten stehen und versuchen, mit dem ein oder anderen ins Gespräch zu kommen: „Hallo, heute Abend ist unsere Kirche offen, magst du eine Kerze anzünden?“ Manchmal funktioniert es, kleinere oder größere Gruppen bleiben stehen, nehmen die angebotenen Teelichter und verschwinden in Richtung Dom. „Schwierig sind die vielen Betrunkenen“, sagt Lukas. Bei der Planung hat sich „Nightfever“ bewusst Abende mit viel Publikum in der Innenstadt ausgesucht – doch bei „Essen Original“ bekommen die Helfer eben auch die unschönen Seiten eines solchen Festivals zu spüren. Lea, Lukas und die anderen tragen es mit Fassung. Gerade haben sie einen Tross Frauen in den Dom gelotst, die heute Abend eigentlich den Junggesellinnen-Abschied ihrer Freundin feiern wollen. „Erst war es fast ein bisschen gruselig in der dunklen Kirche“, sagt eine der mit identischen türkisfarbenen T-Shirts gekleideten Frauen. „Aber dann war es ganz schön. Vor allem die Stimmung mit den vielen Kerzen.“ Auch die künftige Braut mit Plastikschleier und Bauchladen nickt. Eine der Frauen fragt noch: „War das jetzt eigentlich eine katholische oder eine evangelische Kirche?“ Das fragen sich an diesem Abend auch noch einige andere der spontanen Dom-Besucher – doch dann geht es wieder ins Party-Getümmel.

Während dieser Trubel draußen noch bis tief in die Nacht weitergeht, geht „Nightfever“ schon um halb elf wieder zu Ende. Beim gemeinsamen Nachtgebet, der Komplet, sind die, die schon den ganzen Abend im Dom waren, dann weitgehend unter sich. Aber die, die zumindest mal kurz hineingeschaut haben, haben vielleicht etwas mitgenommen. So bedankt sich am Ausgang ein „Nicht-Kirchgänger“ auf einem handgeschriebenen Zettel für das ungewöhnliche Dom-Erlebnis. Und ein anderer lobt die „unverkrampfte Atmosphäre ohne missionarischen Anspruch“. Diesen Weg wollen die „Nightfever“-Leute weitergehen: Am Freitag, 31. Oktober, und am Samstag, 13. Dezember, ist der Dom am Abend wieder zum Gebet geöffnet. Dann werden die Jugendlichen auf der Straße versuchen das „Halloween“- und das „Weihnachtsmarkt“-Publikum für einen kurzen Moment der Ruhe zu gewinnen. (tr)

Nähere Informationen zu Nightfever gibt es hier.

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