Mobbing: Der Feind in meinem Büro

Zeitdruck, Terminstress und überhöhte Leistungsanforderungen sind oft nicht die einzigen Herausforderungen, die der ganz normale Büroalltag mit sich bringt. Was etwa, wenn es im Büro auch auf der zwischenmenschlichen Ebene hakt? Dann kann ein kleiner Scherz schnell in systematischen Psychoterror ausarten. Hier hilft die „MobbingLine NRW“.


Die „MobbingLine NRW“ steht Betroffenen seit 10 Jahren mit Rat und Tat zur Seite


Ein harmloser Scherz über die Frisur, ein Witz hinter dem Rücken des Kollegen, eine ungerechtfertige Kritik: Konflikte am Arbeitsplatz kommen täglich vor – zwischen Arbeitskollegen genauso wie zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Doch was meistens harmlos beginnt und bleibt, endet in einigen Fällen auch mit systematischem Psychoterror. Zum Problem werden Auseinandersetzungen vor allem dann, wenn sie nicht mehr ohne die Hilfe von Außenstehenden zu lösen sind: Die Rede ist von Mobbing. Eine „Erste Hilfe“ in solchen Situationen bietet die „MobbingLine NRW“, bei der sich Mobbing-Opfer oder deren Angehörige telefonisch und anonym Rat und Informationen zu dem Thema holen können. Einmal in der Woche, immer Mittwochs zwischen 17 und 20 Uhr, betreuen auch Beraterinnen und Berater aus dem Bistum Essen die Hotline.

Die MobbingLine NRW ist ein Projekt, das im Februar 2002 von der Gemeinschaftsinitiative Gesünder Arbeiten e.V. (GiGA) gegründet wurde. Um ein modernes Verständnis von Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Öffentlichkeit zu verankern, schlossen sich damals in Nordrhein-Westfalen Unternehmen, Sozialpartner, Berufsgenossenschaften und Krankenkassen mit dem damaligen Ministerium für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie zusammen. Parallel dazu gab es im Bistum Essen die Überlegung, im Rahmen der Betriebsseelsorge ein Angebot für Mobbing-Opfer zu schaffen. „Die Initiative GiGA suchte Mitarbeiter für ihre MobbingLine und wir suchten nach Finanzierungsmöglichkeiten für unser Projekt. So kamen wir damals zueinander“, erinnert sich Berthold Rose, Vorsitzender der Mitarbeitervertretung im Bistum Essen und damals einer der ersten Mitarbeiter bei der Hotline.

Wie wichtig sein Engagement auch heute noch ist, das weiß Rainer Könen aus Oberhausen. Der Diakon ist seit anderthalb Jahren für die Hotline zuständig. „Mobbing ist ein großes Problem in der Arbeitswelt. Es wird uns zukünftig aber auch noch stärker in anderen Bereichen begegnen, zum Beispiel in der Schule oder im Internet. Und es wird immer komplexer“, erzählt Könen. Dass sich der Umgang mit dem Thema auch heute schon oft schwierig gestaltet, erleben die Berater immer wieder in ihren Gesprächen mit den Betroffenen. Nicht zuletzt, weil Mobbing viele Gesichter hat. „Arbeitnehmer werden von ihrem Arbeitgeber angebrüllt oder ausgegrenzt, sie finden keinen Halt bei Kollegen, ihnen werden Fehler vorgeworfen, die sich nicht gemacht haben“, erzählt Berthold Rose. „Auch wenn jemand permanent mit seinen Aufgaben über- oder unterfordert ist oder ihm immer die unbeliebten Aufgaben, wie etwa die Nachtschicht, übertragen werden, ist das Mobbing.“

Die Grenzen sind fließend


Ein weiteres Problem ist, dass Mobbing in den meisten Fällen verdeckt anfängt, so etwa mit harmlosen Scherzen. Zu erkennen, wann eine Grenze überschritten wurde, gelingt oft weder Tätern noch Opfern. Die Grauzone ist groß. „Nicht jeder Konflikt am Arbeitsplatz ist sofort Mobbing“, warnt Rainer Könen. „Viele rufen uns zum Beispiel an, weil sie unzufrieden mit ihrem Lohn sind, auch kleine Frotzeleien am Arbeitsplatz sind vollkommen normal.“ Ein Indikator ist der zeitliche Rahmen, über den sich die Konflikte hinziehen – das weiß Könen aus seinen Beratungsgesprächen. „Man muss sich immer fragen: Wird jemand systematisch marginalisiert? Muss einer regelmäßig als Sündenbock herhalten?“

Die Mobbing-Beratung am Telefon ist ein Lotsendienst


In solchen Fällen empfehlen die Mitarbeiter an der Mobbing-Hotline den Betroffenen, sich an Experten zu wenden: Rechtsanwälte, Beratungsstellen, Ärzte, Psychologen oder auch die Staatsanwaltschaft. „Wir sind in erster Linie ein Lotsendienst. Wir hören zu und überlegen dann gemeinsam mit den Anrufern, welche nächsten Schritte sie unternehmen können.“ Die Beratung läuft dabei absolut anonym: „Wer sich an die Mobbing-Hotline wendet, landet zunächst in der Zentrale in Düsseldorf und wird dann an uns weitergeleitet. So sehen wir nur die Düsseldorfer Telefonnummer“, erklärt Rainer Könen.

Für die Betroffenen ist der Anruf bei der Mobbing-Hotline oftmals der „letzte Strohhalm“. Vor allem wenn der Vorgesetzte, der Betriebsrat oder die Mitarbeitervertretung nicht reagieren oder selber Teil des Problems sind, greifen sie zum Telefonhörer. „In einigen Fällen rufen uns auch Ehemänner oder -frauen an, weil sie es nicht mehr ertragen können, wie der Partner unter Mobbing leidet“, erzählt Rainer Könen. Doch viele warten mit dem Anruf zu lange und dann ist es zu spät um zu intervenieren. „Ein Mobbingprozess kann nur direkt am Anfang gestoppt werden. Sobald erste Anzeichen für Psychoterror am Arbeitsplatz auftauchen, ist die Zivilcourage von den Kollegen und vor allem vom Chef gefragt“, betont Berthold Rose. Dass der Knackpunkt aber oft genau dort liegt, weiß der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung nur zu gut: „Mobbing geht häufig von Führungskräften aus. Vor allem, wenn diese überfordert, ratlos und unfähig sind, Rollen richtig zu definieren“, so Rose. Ein Extremfall ist der systematische Psychoterror, mit dem Mitarbeiter aus dem Unternehmen „raus gemobbt“ werden sollen. Hier haben Betroffene so gut wie keine Chance sich zu wehren. „Es gibt zwar die Möglichkeit, rechtlich dagegen vorzugehen, doch in der Praxis erweist sich das als schwierig“, weiß Diakon Könen. „Vor allem weil die Beweispflicht beim Betroffenen liegt. Er muss nachweisen, dass es sich tatsächlich um Mobbing handelt.“

Beraterinnen und Berater gesucht


Momentan besteht das Team des Bistums Essen an der Mobbing-Hotline aus sieben Beraterinnen und Beratern – zum Ende des Jahres werden drei von ihnen mit der Arbeit aufhören. Umso mehr freuen sich Rainer Könen und Berthold Rose über jeden, der neu in das Team einsteigt. „Der Berater oder die Beraterin müssen ein Gespür dafür haben, welche Hilfe ein Betroffener braucht und wer dafür der richtige Ansprechpartner ist“, erklärt Könen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen dabei nicht unbedingt aus dem seelsorgerischen Bereich kommen, sollten aber über Erfahrungen in der Beratung verfügen. „Zuhören können, erzählen lassen und die richtigen Fragen stellen, darauf kommt es an“, so der Oberhausener. „Vieles klärt sich für die Anrufer schon im Gespräch, während sie erzählen. Sie brauchten dann einfach nur mal jemanden, bei dem sie Frust loswerden können“, ergänzt Berthold Rose. Interessierte können sich bei Rainer Könen unter der Telefonnummer 0208.400731 melden. Weitere Informationen gibt es auch im Internet unter www.mobbingline.nrw.de. (ms)

Pressestelle Bistum Essen

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