„Mit diesem Ansturm hatten wir nicht gerechnet“

Nach über 100 Jahren als Mädchenschule werden auf dem Bischöflichen St. Hildegardis-Gymnasium in Duisburg seit dem Sommer auch Jungen unterrichtet - überwiegend in eigenen Klassen. Ein Konzept, mit dem die Schule bislang ausgesprochen gute Erfahrungen macht.

St. Hildegardis-Gymnasium macht gute Erfahrungen mit Jungen

Eine positive Bilanz zieht Schulleiter Dr. Christoph Oster mit Blick auf das neue Schulkonzept am Bischöflichen St. Hildegardis-Gymnasium in Duisburg. Nach über 100 Jahren als reine Mädchenschule hat das Gymnasium in diesem Sommer erstmals auch Jungen aufgenommen. Der Pädagoge ist zufrieden, dass Lehrer, Eltern und Schüler als Schulgemeinde gemeinsam diesen Schritt beschlossen haben. „Heute gelten Jungen als Verlierer des Bildungssystems“, so Oster. „Unsere Kompetenzen im Bereich der Mädchenförderung können wir jetzt auf die Jungenförderung übertragen.“

Gerade bei den Eltern stößt das neue Konzept auf großes Interesse. 144 neue Schülerinnen und Schüler wurden in diesem Schuljahr aufgenommen, so viele wie nie zuvor. 53 davon sind Jungen. „Mit diesem Ansturm hatten wir nicht gerechnet“, sagt Oster. So hat der neue Jahrgang ausnahmsweise fünf Klassen – zwei für Jungen, drei für Mädchen. Auf Dauer rechnet der Schulleiter aber mit vierzügigen Jahrgängen. „Dafür ist unsere Schule ausgelegt, und größer können und wollen wir nicht werden“.

Unterrichtet werden die Kinder nach dem Motto „getrennt lernen - gemeinsam leben - aufeinander zugehen“. Von der fünften bis zur neunten Klasse lernen die Kinder weitgehend in getrennten Jungen- und Mädchenklassen. Ausnahmen sind hier der Religionsunterricht und die Streicherklassen im Fach Musik. Damit würde den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler entsprochen, die sich in den ersten Jahren der Pubertät ohnehin voneinander abgrenzen, so Schulleiter Oster. Begegnungen gibt es dennoch: Etwa in den Pausen, den Arbeitsgemeinschaften und der Nachmittagsbetreuung.

Der getrennte Unterricht biete die Chance, auf die unterschiedlichen Stärken und Interessen von Jungen und Mädchen einzugehen, sagt Oster. „Mädchen lernen häufig spielerisch, bei Jungen muss man strukturierter vorgehen. Dementsprechend muss ich meinen Unterricht anders planen“, berichtet Englischlehrer Sebastian Burre. „Jungen konkurrieren stark untereinander, jeder möchte der Beste und Schnellste sein. Darüber kann man die Jungen im Unterricht motivieren“, weiß Deutschlehrerin Simone Wolf-Hein. „Auch die Arbeit mit Technik, zum Beispiel mit Beamer und Leinwand, kann für Jungen motivierend sein“, ergänzt Burre. Neben den Methoden würden aber teilweise auch die Inhalte auf die Jungen angepasst, erläutern die Lehrer. „In einer Jungen-Klasse lasse ich nach dem Wochenende auch schon mal einen Text über die Bundesliga schreiben“, berichtet Hein-Wolf. In der Oberstufe lernen Jungen und Mädchen dann wieder gemeinsam – aus nachvollziehbaren Gründen, wie der Schulleiter findet: „In diesem Alter nähern sich Jungen und Mädchen wieder an, und es wäre unnatürlich, sie dann zu trennen“.

Neu ist das Konzept auch für Niklas, Lennart und Seong-Il, die zu den ersten Jungen am St. Hildegardis-Gymnasium gehören. Nach vier Jahren Grundschule ist das Lernen in einer reinen Jungenklasse neu für sie. „Das ist eine totale Umstellung“, meint Lennart – nicht nur, weil es hier mehr Rangeleien gibt als in einer gemischten Klasse, wie die drei Fünftklässler unisono berichten. „Aber ich finde es gut, in einer Jungenklasse zu sein. Hier hat man mehr feste Freundschaften als in einer gemischten Klasse.“ Seong-Il erzählt: „Manchmal ärgern uns die Mädchen hier an der Schule und stören uns auf dem Pausenhof beim Fußballspiel“. Trotzdem fände er eine gemischte Klasse besser.

Die Bi-Edukation am St. Hildegardis-Gymnasium ist ein sich weiterentwickelndes Konzept, unterstreicht Schulleiter Oster. „Wir sind in einem Experiment. Gemeinsam mit den Schülern und Eltern sind wir auf dem Weg.“ Dass die Entscheidung auch langfristig richtig war, davon ist der Schulleiter überzeugt. (lk/tr)

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