Kosovo: <br>Der vergessene Einsatz

Kosovo. Da war doch was. Jenseits des öffentlichen Rampenlichts leisten in dem Land auf dem Balkan noch immer deutsche Soldaten ihren Dienst. Vor allem im Nordkosovo kann die Lage jederzeit eskalieren. Militärbischof Dr. Franz-Josef Overbeck hat die Truppen jetzt besucht.


Militärbischof Overbeck zu Besuch im Kosovo

Die Autobahn. Fragt man nach Fortschritten im Kosovo, ist die Antwort nicht selten: die Autobahn. Knapp eine Stunde dauert die Fahrt von der Hauptstadt Pristina nach Prizren, der zweitgrößten Stadt im Süden des Landes. Bevor die Strecke im Herbst 2012 fertig wurde, mussten fast drei Stunden für die 80 Kilometer eingeplant werden. Aber eine Autobahn macht noch keinen funktionierend Staat. Ebenso regelt sie nicht das Zusammenleben zwischen muslimischen Kosovo-Albanern und orthodoxen Serben. Aufgaben für die internationalen KFOR-Truppen gibt es auch nach 14 Jahren Einsatz genug. Auch für die deutschen Soldaten.

Kosovo. Da war doch was. Während Deutschland auf die Bundeswehr-Einsätze in Afghanistan, am Horn von Afrika oder, ganz aktuell, in Mali schaut, ist das Balkan-Land aus dem Blick geraten. Doch noch immer sind rund 900 deutsche Soldaten im Land – im Feldlager Prizren, im KFOR-Hauptquartier in Pristina sowie im Nordkosovo, dessen serbische Mehrheit seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Februar 2008 quasi eigenständig, nach Serbien ausgerichtet, agiert.

"Es ist wichtig, den Menschen in Deutschland klar zu machen, was die deutschen Soldaten hier tun", sagt Militärbischof Dr. Franz-Josef Overbeck. "Auch wenn der Konflikt in unserer Gesellschaft nicht mehr präsent ist, ist er weiterhin akut." Drei Tage hat Overbeck jetzt die Bundeswehr im Kosovo besucht – nicht nur die Männer und Frauen, die im Feldlager Prizren eher logistisch und tätig sind und ein Lazarett betreiben, sondern auch die, die im Nordkosovo an vorderster Stelle stehen und eingreifen, falls Unruhen ausbrechen oder Barrikaden errichtet werden.

Letzte Schießerei im Sommer

Noch im Sommer des vergangenen Jahres kam es hier zu einem Schusswechsel zwischen serbischen Aufrührern und der Bundeswehr. Handgranaten flogen in Richtung der Deutschen, zwei Soldaten wurden verletzt. Vor allem im Nordkosovo könne die Lage jederzeit eskalieren, erläutern Bundeswehrvertreter vor Ort.

"Für das Kosovo ist nur eine politische Lösung möglich", sagt Oberst Ewald Nau, aktueller Kommandeur der deutschen Truppen in Prizren. Die KFOR unterstütze diese. "Die Soldaten sind motiviert und wissen genau, was sie machen." Dennoch falle es nicht schwer, von einem vergessenen Einsatz zu sprechen, fügt Nau hinzu. Afghanistan bestimme die Berichterstattung.

Allerdings müsse das nicht zwingend als Beleidigung verstanden werden. Dass man in der deutschen Presse nur wenig aus dem Kosovo höre, liege daran, dass wenig passiere. Man habe hier die nächste Stufe der Deseskalation erreicht. In einem Gottesdienst vor Soldaten spricht der Bischof Overbeck von einem "Land der Übergänge".  Der Kosovo sei ein "wunderbares Land mit derzeit leider wenig Perspektiven", fügt er später hinzu. Zwar sei schon viel positiv im Land passiert, "aber wenn sich Menschen über Generationen hassen, ist das nicht in ein paar Jahren geregelt", sagt Overbeck. Die Bundeswehr hier sei "eine gut aufgestellte Truppe", deren Anerkennung in der Heimat wichtig sei.

"Die Probleme der ganzen Welt"

Die Frage, wann die Bundeswehr abzieht, möchte und kann kein deutscher Soldat beantworten. Erst in der vergangenen Woche sind Gespräche zwischen Serbien und dem Kosovo über ein Abkommen zwischen beiden Ländern gescheitert. "Manchmal bin ich erschrocken, wie wenig bisher im Kosovo passiert", sagt Pfarrer Joachim Simon. Regelmäßig besucht der leitende Militärdekan des Katholischen Militärbischofsamts die Seelsorger in den deutschen Stützpunkten auf der ganzen Welt. "Als wir 1999 gekommen sind, dachte ich, dass die internationalen Truppen vielleicht zwei Jahre bleiben", fügt er hinzu. Einheimische hätten ihm damals gesagt, dass es mindestens 50 Jahre brauche, bis Frieden herrsche.

Fragt man unter den Soldaten, so hört man auch die Ansicht, dass im Kosovo erst Ruhe herrscht, wenn die serbische Bevölkerung weggezogen ist oder der Norden des Landes an Serbien abgetreten wird. Das Land habe ein großes Potenzial, gerade wenn man auf die Jugend baue, sagt Pfarrer Simon. Der Einsatz der KFOR habe seiner Ansicht nach schon einiges gebracht. Für Militärbischof Overbeck ist die ethische Perspektive des Einsatzes von großer Bedeutung, um zwischen den Kulturen und Religionen ein Auskommen zu erreichen. "Die Mission im Kosovo hat einen klaren politischen und friedensstiftenden Charakter", sagt er. "Ich bin von ihr überzeugt." Das Klima in Deutschland gegenüber Bundeswehreinsätzen müsse sich ändern, so Overbeck: "Die Probleme in Afghanistan oder im Kosovo sind die Probleme der ganzen Welt."

(Christoph Meurer | katholisch.de)

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