Katholischer Extremismus - „Die Gesinnung lebt weiter“

Hass, extremistisches Denken und Intoleranz sind auch in der Kirche zu finden. Vor allem vermeintlich katholische Internetseiten verbreiten derartiges Gedankengut. Wie die Kirche und ihre Gläubigen solchem Hass begegnen sollen war Thema einer Veranstaltung in der Akademie Die Wolfsburg.


Wie die Kirche mit christlichen Hasspredigern umgehen sollte

Hassprediger – für viele Menschen sind dies muslimische Extremisten, Islamisten, Dschihaddisten. Doch ähnliche Denkstrukturen gibt es auch in der katholischen Kirche, das wurde am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung der katholischen Akademie Die Wolfsburg in Mülheim deutlich. Vor allem im Internet sind reihenweise vermeintlich „katholische“ Inhalte verfügbar, die gegen Homosexuelle, Frauen, Juden, Muslime oder andere Gruppen hetzen. Zwar sei das Flaggschiff dieser Internetportale, die Seite www.kreuz.net, seit Ende 2012 abgeschaltet, „aber die Gesinnung lebt weiter“, ist sich Ulrich Lota sicher, Pressesprecher des Bistums Essen und einer der drei Referenten der Tagung. Er verwies auf den umstrittenen Internet-Fernsehsender „Gloria.tv“, der zum Beispiel deutsche Bischöfe, die die „Pille danach“ für Vergewaltigungsopfer zulassen, mit Hakenkreuzen abgebildet hat. Juristisch sei diesen Abbildungen ebenso wenig beizukommen wie zuvor den Hetzereien auf „Kreuz.net“, weil die Internetseiten jeweils aus dem Ausland gesteuert würden, so Lota. Deshalb müsse man ihnen auf anderen Wegen aktiv entgegen treten: „Wir dürfen es nicht zulassen, dass diese Leute das Bild der katholischen Kirche in der Öffentlichkeit bestimmen“. Lota betont, „diese Gloria-Katholiken“ missbrauchen den Namen „katholisch“, auch wenn sie vorgäben, sich streng an der Kirchenlehre zu orientieren und für das Lebensrecht ungeborener Kinder oder die Familie einzutreten. Jeder Katholik müsse „selbst aktiv werden und aktiv bleiben und die medialen Räume nutzen, die uns zur Verfügung stehen“, – also etwa über die Kommentarfunktionen auf Internetseiten, in Leserbriefe in oder in Beiträgen auf sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter deutlich machen, dass der katholische Glaube nichts mit extremistischen, menschenverachtenden und hasserfüllten Positionen zu tun hat, sondern Toleranz und Vielfalt verkörpert.

Die Antisemitismus-Forscherin Dr. Juliane Wetzel stellte in ihrem Referat mehrere Studien vor, die belegen, dass religiöse Menschen nicht weniger intolerant seien als andere. „Religiosität schützt nicht vor gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“, so Wetzel. Gerade die Neigung zu Sexismus oder Homophobie sei bei religiösen Menschen sogar ausgeprägter als bei Nicht-religiösen. Mit Verweis auf christlich-extremistische Internetangebote betonte sie: „Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, wie gefährlich diese Seiten sind, gerade wenn sie so vermeintlich-seriös daher kommen.“ Sie verwies darauf, dass es zahlreiche Verbindungen zwischen dem traditionalistisch-katholischen Netzwerk und rechstpopulistischen und -radikalen Medien und politischen Gruppierung gebe.

Der Psychoanalytiker Thomas Auchter stellte die psychologischen Hintergründe des Hasses vor. Hass sei – wie Neugier und Liebe – grundsätzlich in jedem Menschen angelegt. Gerade in der ausgeprägten Form wie Extremisten ihn verbreiten sei Hass aber vor allem „ein Zeichen von Angst und Unsicherheit“. Hier sieht Auchter – ähnlich wie Lota – auch Ansätze, diesem katholischen Extremismus entgegen zu wirken: Man müsse den Anhängern solch radikaler Ansichten mit einer starken Selbstsicherheit entgegen treten. Letztlich gehe es immer um die Frage „Wer oder was ist katholisch?“, so Auchter. Diese Frage der Zugehörigkeit gebe es in jeder Gruppe – und für die Antwort darauf sieht er zwei grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten: „Entweder ich weiß ganz genau, was die Mitgliedschaft zu einer Gruppe ausmacht – und kann dann alle, die davon abweichen, ausschließen. Oder ich wähle eine offene Position und versuche aus einer starken Selbstsicherheit heraus im Dialog mit anderen eine gemeinsame Lösung zu finden“.

Für einen solchen Dialog sprach sich der Generalvikar des Bistums Essen, Klaus Pfeffer aus. Er sieht Internetseiten wie „Kreuz.net“ oder „Gloria.tv“ als „Randerscheinungen, denen wir nicht zu viel Aufmerksamkeit widmen sollten, weil sie diese nicht verdienen“. Sorge mache ihm vielmehr, „dass es auch in vielen Diskussionen in unserer Kirche oft sehr aggressiv zugeht“, so Pfeffer. Er sieht als Grund für diese Aggressivität und Hass, der auch ihm zum Beispiel in Briefen oder E-Mails entgegenschlägt, ähnlich wie Auchter Angst und Verunsicherung. Viele Vertreter traditionalistischer und extremistischer Positionen sehnten sich nach einer Kirche, die Sicherheit und Klarheit verbreite. Die Vielfalt einer pluralen, säkularen Welt auszuhalten, sei für diese Menschen bedrohlich. „Kern des Christseins ist es aber, die Vielfalt auszuhalten“. Jesus habe ohne jede Sicherheit in seine Nachfolge berufen. Dies müsse die katholische Kirche stärker in den Vordergrund rücken – und zudem lernen, Auseinandersetzungen auszuhalten. „Dazu ist das, was wir im Bistum mit unserem Dialogprozess gemacht haben, ein guter Beitrag“, sagte Pfeffer. (tr)

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