Im Gesang der Spiritualität begegnen

Viele wollten teilnehmen. Doch die Plätze reichten nicht. Der "8. Internationale Sommerkurs Gregorianik" in Essen lockte Teilnehmer aus fünf Ländern an.

8. Internationaler Sommerkurs Gregorianik führt in mittelalterliche Zeiten

Außer Atem betritt Professor Dr. Stefan Klöckner den Seminarraum. Die Zeit ist knapp und die Teilnehmer des 8. Internationalen Sommerkurses Gregorianik haben noch viel vor: Innerhalb einer Woche erlernen sie nämlich nicht nur die Theorie des Gregorianischen Chorals, seine Geschichte und seinen Ursprung, sondern tauchen auch in die Praxis der mittelalterlichen Gesänge ein.

Eine gehörige Portion Spaß darf dabei natürlich nicht fehlen: „Auch wenn die Tage der Teilnehmer vollständig durchgeplant sind, Zeit für Geselligkeit und Freude muss sein“, meint Klöckner. Der erfahrene Dozent, der am neuen „Institut für Gregorianik und Liturgik“ tätig ist, kennt sich bestens mit den Traditionen und der Praxis des Gesanges aus: „Wichtig ist es zu empfinden, dass der gregorianische Choral kein Auslaufmodell ist.“ Zwar werde dieser heute eher als „Lippenbekenntnis“ in den Gottesdiensten gesehen, aber auch außerhalb der Liturgie interessierten sich doch viele Menschen für die mittelalterlichen Gesänge.

Ausdruck der Freude und Harmonie

Bis in die vorchristliche Zeit gehen die Traditionen der gregorianischen Gesänge zurück. Namensgeber Papst Gregor I. (540-604 n.Chr.) soll bereits damit begonnen haben, die bis dahin mündlich überlieferten Melodien und Texte in lateinischer Sprache zu sammeln. Seit dem 9. Jahrhundert werden die Melodien in Noten, den sogenannten „Neumen“, schriftlich festgehalten. Seitdem ist die Gregorianik stetig erweitert und reformiert worden.

Denkt man heutzutage an gregorianische Gesänge, verbindet man die lateinischen Verse und die eher monotone Melodie doch eher mit der düsteren Kulisse inmitten eines alten Klosters: ganz so, wie Umberto Ecos Meisterwerk „Im Name der Rose“ dies in dem gleichnamigen Film vermittelt. Dass das nicht immer so sein muss, beweisen die Teilnehmer des Sommerkurses Gregorianik: dass nämlich die Kunst des gregorianischen Chorals auch heute noch praktiziert wird und vor allem, dass der  Gesang Ausdruck der Freude und Harmonie sein kann.

Über 80 Teilnehmer haben sich angemeldet, mehr als in allen Kursen zuvor. „Der Sommerkurs wird seit zehn Jahren durchgeführt, jedoch mit kleinen Unterbrechungen“, erzählt Klöckner. Vor seiner Zeit habe Professor Godehard Joppich den Kurs ins Leben gerufen und auch die Professur für Gregorianik an der Folkwang Schule durchgesetzt. „In diesem Jahr mussten wir sogar einigen Bewerbern absagen, das kam bisher noch nie vor,“ berichtet der Dozent etwas wehmütig. Gerne hätte er weitere Teilnehmer in die Welt der Gregorianik geführt, doch das Kardinal-Hengsbach-Haus in Essen-Werden stieß angesichts der großen Nachfrage an seine Kapazitätsgrenzen.

Teilnehmer auch aus Asien

Die Teilnehmer sind bunt gemischt. Aus fünf verschiedenen Ländern sind sie angereist, um sich diesen einzigartigen Kurs nicht entgehen zu lassen. „Wir haben Teilnehmer aus Österreich, Belgien, den Niederlanden und sogar aus Japan und Korea hier,“ erklärt Professor Klöckner. Und die Begeisterung der meist schon fortgeschrittenen Beteiligten im Alter zwischen 20 und 80 Jahren ist groß. Für diese Faszination hat Klöckner auch eine Vermutung parat: „Viele Menschen begegnen in den Gesängen der Spiritualität. Das 1200 Jahre alte urmenschliche Anliegen breitet sich auf die Menschen aus. Das wachsende Interesse an der Geschichte des Ursprungs kommt dazu.“
Klöckner selbst beschäftigt sich seit 28 Jahren eng mit der Gregorianik. Sein Antrieb liegt jedoch eher im theologischen Bereich: „Die Deutung der Texte und die Lebendigkeit, die von ihnen ausgeht, reicht in die heutige Zeit hinein.“ Die Texte seien aktueller denn je und spiegelten „die Freude und den Glauben“ wieder.

Das vermittelt der Dozent auch während seiner Workshops in den Kleingruppen. Er versteht es, seine Schützlinge zu motivieren. Kleine Anekdoten aus seinem reichen Erfahrungsschatz dürfen dabei natürlich nicht fehlen. Trotzdem verlieren die Kursteilnehmer nicht ihr eigentliches Ziel aus den Augen: Ihren großen Auftritt am Sonntag, 2. August,  9.30 Uhr, im Pontifikalamt in der Basilika St. Ludgerus in Essen-Werden. Dann sollen alle Texte sitzen und die Noten auch getroffen werden.

Doch was wäre der gregorianische Choral, ohne ihn auch perfekt dirigieren zu können? Das steht bei Jörg Stephan Vogel, Leiter der  Bischöflichen Kirchenmusikschule im Bistum Essen, auf dem Programm: „Zuerst die Buntstifte verteilen, dann geht es los.“ Natürlich sind die Stifte nicht zum Ausmalen gedacht, vielmehr sollen sie den Teilnehmern die Ausführung der Gesten verdeutlichen. Die Bewegungen des Schreibens sollen sich dabei letztendlich in den Gesten wiederspiegeln. So müssen die Teilnehmer auch mal dirigieren und die Gruppe zum Gesang anleiten.

Ein bisschen Wehmut kann man aus dem Stimmengewirr am Abend heraushören, denn für die Teilnehmer endet eine Woche voller Erfahrungen und einmaliger Eindrücke. Und auch einen besonderen Höhepunkt gab es: das Konzert mit dem französischen „Ensemble Organum“ in St. Ludgerus. Altrömische und byzantinische Gesänge präsentierte der berühmte Chor in Perfektion. (sh)

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