„Ich konnte mich mit Nikolaus Groß identifizieren“

Der Bochumer Stefan Heucke hat das Oratorium "Nikolaus Groß" komponiert, das am 7. Oktober 2011 in der Mercatorhalle Duisburg uraufgeführt wird. Es ist wie eine große "geistige Ballade, die das Leben des Seligen entrollt, darstellt, erlebbar und geistlich nachfühlbar macht", so der Komponist.

Der Protestant Stefan Heucke komponierte ein Oratorium über einen Seligen der Katholischen Kirche

Die Anfrage erreichte ihn vor vier Jahren über den Anrufbeantworter. Für den Bochumer Komponisten Stefan Heucke war das schon „komisch“. Doch der Rückruf beim Bistum Essen ließ Heucke hellhörig werden. Es ging um die Komposition eines Oratoriums, das dem Katholiken Nikolaus Groß gewidmet werden sollte, der vor zehn Jahren selig gesprochen wurde.

„Der Name war ganz neu für mich“, berichtet der Protestant Heucke. Er bat sich Bedenkzeit aus. Erst  mussten für ihn einige Voraussetzungen erfüllt sein. „Ich muss erst die spirituelle Dimension des Menschen Nikolaus Groß verstehen, dann kann ich es künstlerisch gestalten“, betont der 1959 in Baden-Württemberg geborene Komponist. Sein Bruder, der Historiker Dr.  Clemens Heucke, sollte das Libretto (Texte) schreiben. Und eines war für Heucke ebenfalls klar: vor 2011 konnte er die Auftragskomposition nicht fertig stellen.

Mit „großem Interesse und  viel innerer Anteilnahme“ sagte Heucke zu, war er doch beeindruckt von der „menschlich so überaus integren und glaubwürdigen Person des Protagonisten des geplanten Oratoriums“, des Seligen Nikolaus Groß. Zudem hatte sich Heucke in der von ihm komponierten Oper „Das Frauenorchester von Auschwitz“ schon einmal sehr intensiv mit dem Thema der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten beschäftigt. Darüber hinaus reizte ihn die Möglichkeit, sich in der Gattung Oratorium auszudrücken, der er sich schon seit längerer Zeit angenähert hatte.


Eine große geistliche Ballade

Intensiv befasste sich Heucke zunächst mit dem Bergmann, Gewerkschafter, Journalisten, Familienvater und Widerstandskämpfer Nikolaus Groß, der nach Inhaftierung im Konzentrationslager Ravensbrück   am 23. Januar 1945 von den Nazis in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde. „Ich konnte mich mit diesem Katholiken sehr identifizieren“, so Heucke, Er habe sich gefragt, wie er sich verhalten hätte, ob er „diese Zivilcourage und Seelenstärke“ gezeigt hätte. „Das hat mich richtig gepackt und umgetrieben“, berichtet der Komponist.

Im Leben von Nikolaus Groß habe er ein „starkes Element von Passion“ erkannt. Deshalb habe er sich entschlossen, dem Oratorium einen Choral als quasi leitmotivisches Element zugrunde zu legen. Heucke entschied sich für den Choral „Gott wohnt in einem Lichte“, dessen Text der protestantische Komponist Jochen Klepper – auch ein Opfer des Nazi-Regimes – geschrieben hat.

Heuckes Komposition folgt dem Aufbau klassischer Oratorien mit Chören, Choral, Rezitation und Arien. In dem klar zu verfolgenden Handlungsverlauf sind Originalworte von Nikolaus Groß, teils als Rezitative, teils als ariose Elemente sowie historische Originalzitate seiner Frau Elisabeth eingeflochten. Diese hat als Mutter von sieben Kinder ihrem Mann stets zur Seite gestanden und nach dessen Tod für das Überleben der Familie gesorgt. Die Zitate seiner Gegner werden stets vom Bass gesungen. Bibelworte in Form von Arien, Duetten, Ensembles und Chören kommentieren das Geschehen. Fünf Strophen des Klepper-Chorals markieren die entscheidenden Stationen im Leben von Nikolaus Groß und seiner Familie. Die vier deutlich erkennbaren Großabschnitte des Oratoriums gehen fließend ineinander über, „wie etwa vier Strophen einer riesigen geistlichen Ballade, die das Leben des Seligen in rund 90 Minuten entrollt, darstellt, erlebbar und geistlich nachfühlbar macht“, so Heucke.


Kein Avantgardist

Der Komponist, der das Oratorium vom Sommer 2010 bis Mai 2011 „in einem Guss“ geschrieben hat, versteht sich nicht als „Avantgardist“, sondern als „Nachfolger der Klassischen Moderne“. Heucke befrage – so der Musikjournalist Jörg Loskill -  bei fast jeder Komposition „die Tradition und die musikalischen Elemente, die sich schon immer bewährt haben“.  „Das Vokabular der Vergangenheit ist für mich ein Schatz. Warum sollte ich da nicht zugreifen?“, sagt Heucke.

Der Komponist ist dem Ruhrgebiet sehr verbunden, studierte und lebte lange Zeit in Dortmund. Seit 1996 wohnt er in Bochum. International bekannt wurde Heucke im Herbst 2006 durch seine Oper „Das Frauenorchester von Auschwitz“. Im November 2007 erhielt er den Hans-Werner-Henze-Preis des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Die Jury würdigte damit die große stilistische Bandbreite und das pädagogische Engagement des Komponisten.  In der Saison 2010/2011 war Heucke der erste „Composer-in-Residence“ bei den Niederrheinischen Sinfonikern in Krefeld. Er vertonte auch das „Vater unser“ nach einer Vorlage von Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert.

Uraufgeführt wird das Oratorium „Nikolaus Groß“ unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert am Freitag, 7. Oktober, 20.00 Uhr, in der Mercatorhalle Duisburg. Die Ausführenden sind: die Duisburger Philharmoniker mit dem Philharmonischen Chor Duisburg, dem Mädchenchor am Essener Dom und den vier renommierten Solisten Carolin Melzer (Sopran), Tilman Lichdi (Tenor), Sebastian Noack (Bariton) und Sami Luttinen (Bass). Dirigent ist Generalmusikdirektor Graham Jackson.

Eine weitere Aufführung ist am Sonntag, 9. Oktober, 20.00 Uhr, in der Philharmonie Essen. Karten sind an den bekannten Vorverkaufsstellen der Mercatoralle Duisburg und der Philharmonie Essen erhälltlich. (do)

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