Grave: Kein vorzeitiger Kohleausstieg!

Einen vorzeitigen Ausstieg aus der Steinkohleförderung lehnen die Katholische und Evangelische Kirche ab. Das unterstrich Weihbischof em. Franz Grave beim Festakt zum 60-jährigen Bestehen der "Gemeinsamen Sozialarbeit der Konfessionen" (GSA) in Schwerte.


60 Jahre Gemeinsame Sozialarbeit der Konfessionen

Vor einem vorzeitigen Ausstieg aus der Steinkohleförderung hat Weihbischof em. Franz Grave, Essen, gewarnt. Auf dem Festakt zum 60-jährigen Bestehens der Gemeinsamen Sozialarbeit der Konfessionen (GSA) in Schwerte unterstrich er, dass die Katholische und die Evangelische Kirche Pläne, die ein Auslaufen des Steinkohlebergbaus bereits im Jahr 2014 vorsehen, „auf das Schärfste“ ablehnten. „Eine Vorverlegung des Ausstiegs von 2018 auf 2014 würde betriebsbedingte Kündigungen für rund 7000 Bergleute nach sich ziehen, das Vertrauen in getroffene Vereinbarungen erschüttern und die Glaubwürdigkeit politischen Handelns belasten“, so der Weihbischof.

Das im Steinkohlefinanzierungsgesetz von 2007 festgelegte Auslaufen des subventionierten Kohlebergbaus im Jahr 2018 sei für die Kirchen nur deshalb akzeptabel, weil es die  Zusicherung enthalte, das der Ausstieg sozialverträglich erfolge und ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolge. „Die Politik ist gefordert, alles zu tun, damit das Steinkohlefinanzierungsgesetz wie vereinbart umgesetzt wird“, betonte Grave. Er hoffe, dass es Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der EU in Brüssel gelingt, „die erforderliche Überzeugungsarbeit persönlich zu leisten“.

In seinem Festvortrag zum Thema „Kirche und Wirtschaft – Pakt für ‚Wert’volle Arbeit“ mahnte der Weihbischof auch eine Grundsatzdebatte über das Wirtschaftssystem und dessen ethische Grundlagen an. Aus der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise seien bisher nicht genügend Lehren gezogen worden. Banken und Hedgefonds würden zum Teil schon wieder hohe Gewinne machen und großzügige Bonuszahlungen gewähren. Der Weihbischof verurteilte „maßlose Profitgier“ und „unanständige Bereicherungsmentalität“, die das Vertrauen in das Ordnungssystem „zutiefst beschädigt“ hätten. Es gelte, Vertrauen zurückzugewinnen und die Lasten der Veränderungsprozesse in der Wirtschaft gerecht zu verteilen. Das sei Aufgabe aller: der Gesellschaft, Wirtschaft, Kirchen und Politik. „Erst wenn am Ende eine Bändigung der Kapitalmärkte, eine größere Verantwortungsbereitschaft von Eliten, ein nachhaltigeres Wirtschaften, eine stabilere Weltwirtschaftsordnung sowie eine gerechtere Teilhabe der Menschen stehen, haben wir die Krise als Chance begriffen und überwunden“, betonte Grave.



Einzigartige Zusammenarbeit in der deutschen Unternehmenslandschaft

Die Gemeinsame Sozialarbeit der Konfessionen würdigte er als ein „einmaliges Beispiel für eine realitätsbezogene wirkungsvolle Kooperation zwischen Kirche und Wirtschaft“. Der Mensch stehe dabei im Mittelpunkt. „Ihm geben Unternehmen und Kirche Hilfestellung, sich im Betrieb zu orientieren“, unterstrich der Weihbischof. Dabei kultiviere die GSA gleichzeitig die Solidarität und stärke die Verantwortung jedes Einzelnen. Als eine „einzigartige Zusammenarbeit in der deutschen Unternehmenslandschaft“ bezeichnete Pfarrer Klaus Breyer, Leiter des Institutes für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen, die Gemeinsame Sozialarbeit der Konfessionen. Es gebe „kein zweites, vergleichbar stabiles und kontinuierliches ökumenisches Projekt“.  

Dass die GSA nicht nur „zu einer an christlichen Wertvorstellungen orientierten Humanisierung der Arbeitswelt“ beitrage, sondern auch zu „einer Bewältigung des in der Region virulenten Strukturwandels“, betonte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und amtierende Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, in der Talk-Runde. Hier machte Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck deutlich, dass sich das Bistum Essen seit jeher auch als „Sozialbistum“ verstehe und seit seiner Gründung im Jahre 1958 enge Beziehungen zu den arbeitenden Menschen, zu Unternehmen und Gewerkschaften pflege. „Dabei geht es uns als Kirche auch immer um das Gemeinwohl“, sagte Overbeck. Für Peter Schrimpf, RAG-Vorstandsmitglied, ist ein wirtschaftlich orientiertes Unternehmen "kein ethikfreier Raum“. Die betrieblichen Verhältnisse sollten so beschaffen sein, „dass auch in der Wirtschaft der Mensch das eigentliche Subjekt der Arbeit bleibt“. Schrimpf: „Ohne das Engagement der Kirchen fehlt uns in den Unternehmen die Werteorientierung.“ Er dankte allen, die in der Vergangenheit die Arbeit der GSA vorangebracht und gestaltet haben.

Welchen Weg die Gemeinsame Sozialarbeit der Konfessionen in Zukunft gehen wird, auch diese Frage wurde auf der Festveranstaltung aufgeworfen. Einig war man sich, dass die jahrzehntelangen Erfahrungen und das Wissen auch in andere Wirtschaftsbereiche eingebracht werden können. „Das Modell der GSA kann auch dort sinnvolle Anwendung finden“, betonte Weihbischof Grave. (do)

Festvortrag von Weihbischof em. Franz Grave

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