"Einladende Kirche für die Suchenden sein“

Zum Festakt anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Kardinal-Hengsbach-Hauses kamen zahlreiche Gäste in das Haus nach Essen-Werden. In seiner Festrede widmete sich Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit", kritisch der aktuellen Situation der katholischen Kirche in Deutschland.


Festakt zum 50-jährigen Bestehen des Kardinal-Hengsbach-Hauses

„Im Auftrag der Freude und Hoffnung“ – unter diesem Motto steht das Festjahr anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Kardinal-Hengsbach-Hauses in Essen-Werden. Zu einer Feierstunde am Freitag, 20. April 2012, kamen zahlreiche Gäste aus Kirche, Politik und Gesellschaft in das Haus am Hang des nördlichen Ruhrtals. Die Feierstunde bildet den Auftakt einer Reihe von Veranstaltungen in den kommenden Monaten.

Das Motto des Festjahres „erinnert an den ersten Satz der Pastoralkonstitution des II. Vatikanischen Konzils Gaudium et spes“, machte Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck zu Beginn seiner Predigt im Pontifikalamt in der Seminarkirche des Hauses deutlich. Die schon zu Beginn dieses bedeutenden Schreibens dargelegte enge Verbundenheit der Kirche mit der Menschheit und ihrer Geschichte spiegle eine Dynamik wider, von der die Entwicklungen der vergangenen 50 Jahre im Ruhrbistum geprägt seien, so der Ruhrbischof weiter. „Gleichzeitig ist heute festzustellen, dass es neben ungeahnten Aufbrüchen auch viel Lähmung, Enttäuschung und ängstliches Fragen ob der Zukunft der Kirche gibt, das die verschiedenen Generationen heute auf sehr unterschiedliche Weise bewegt“, unterstrich Overbeck. Auch die jüngsten Entscheidungen zur Verlagerung der Priesterausbildung hätten diese Frage bestärkt.

Einladende Gemeinschaft für Suchende

Ein Blick auf die vergangenen Jahrzehnte mache deutlich, dass der Lebensraum für die Kirche zunehmend differenzierter geworden sei. Da die Vorstellung einer „Volkskirche“ mit all ihrer gesellschaftlichen Relevanz in der heutigen Zeit nicht mehr aktuell sei, stelle sich die Menschheit zunehmend die Frage, ob Kirche eine „geschlossene Gesellschaft“ oder eine „einladende Gemeinschaft“ sei, so Overbeck weiter. Der zentrale Aspekt zur Beantwortung dieser Frage sei, sich immer zu vergegenwärtigen, dass Kirche dort sei, „wo Gläubige miteinander das Ziel des Glaubens verfolgen, nämlich das Leben mit Jesus Christus“. Um Menschen zu Christus zu bringen, sei es wichtig, „dass, wie groß oder wie klein die Kirche ist, der Charakter des Einladenden bewahrt bleibt“, so der Bischof. Dies gelänge nur, wenn Menschen dort abgeholt würden, wo sie zu erkennen gäben, dass sie suchende Menschen seien. Nur wenn die zukünftige Gemeinschaft der Gläubigen eine offene Gemeinschaft sei, die ihren Glauben bezeuge und von Christus her lebe, sei sie auch für die Suchenden in der Gesellschaft von Interesse.

Da die Kirche in der Gesellschaft auch zukünftig eine eigene Identität brauche und nicht durch die Anpassung an Mehrheitsverhältnisse bestimmt seien dürfe, müsse sie „Vorräume“ schaffen, „in denen viele Menschen sich der Kirche, dem Glauben und dem Christusgeheimnis annähern können“, erklärte Overbeck. Es gehe „schlicht darum, die Suchenden für Christus zu interessieren und die Glaubenden immer tiefer mit ihm zu verbinden“. So erneuere sich die Kirche und so sei sie auch zukünftig unterwegs „im Auftrag von Freude und Hoffnung“. Das Kardinal-Hengsbach-Haus bleibe auch in Zukunft für diesen Auftrag ein bedeutsamer Ort im Ruhrbistum, bekräftige Overbeck.

Keine Imagekampagne sondern Glaubwürdigkeit

Im Anschluss an das Pontifikalamt begrüßte Direktor Thomas Zander die zahlreichen Gäste zu einem Festakt in der Aula, zu dem auch Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“ als Festredner gekommen war. Unter dem Titel „Wie viel Bekenntnis darf in einer säkularen Welt sein“, nahm di Lorenzo die aktuelle Situation der katholischen Kirche kritisch in den Blick. „Die Suche nach dem Sinn des Lebens spielt in der Gesellschaft eine große Rolle“, so di Lorenzo. Sowohl die Medien, als auch die Kirche müssten sich diesen Fragen der Menschen annehmen, unterstrich der Journalist.

Um auch zukünftig in der Gesellschaft präsent zu sein, sei es für die Kirche von großer Bedeutung, sich den internen wie externen Diskussionen zu stellen. „Es ist wichtig, dass diese Diskussionen nicht richtungslos verlaufen oder dem reinen Selbstzweck dienen“, bekräftigte der Chefredakteur. Probleme der katholischen Kirche in Deutschland dürften nicht reflexartig in den universalen Kontext der Weltkirche gestellt und so oft relativiert oder für nichtig erklärt werden. „Es ist wichtig, die Menschen an der Basis mit ihren Problemen ernst zu nehmen“, unterstrich di Lorenzo. Denn gerade an der Basis gäbe es viel Energie, von der die Kirche schöpfen könne. Um diese Menschen für die Sache zu begeistern, brauche „Kirche keine Imagekampange sondern Glaubwürdigkeit“. Die Stimme der katholischen Kirche müsse in der Gesellschaft wieder lauter werden. „Die Welt braucht kirchliche Debatten und Interventionen“, appellierte di Lorenzo an die Gäste und gab gleichzeitig zu bedenken, dass dieses Engagement sich immer an den Menschen und ihren Bedürfnissen ausrichten müsse. (ja)

Predigt Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck im Wortlaut (pdf)

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