„Der Kranke braucht nicht nur die richtige Pille“

Trotz aller Fortschritte im Gesundheitswesen ist nach Ansicht von Weihbischof em. Franz Grave ein Zuwachs an Humanität dringend erforderlich. Im Festgottesdienst in der St. Kamillus-Kirche in Essen unterstrich er die Notwendigkeit einer ganzheitlichen und patientenorientierten Krankensorge.



Weihbischof Franz Grave feierte Festgottesdienst in St. Kamillus 

Das Gesundheitswesen muss nach Ansicht des Essener Weihbischofs em. Franz Grave den Kranken dienen und nicht umgekehrt der Mensch dem System. „Durch eine gute Gesundheitsreform soll es den Kranken besser gehen und sie sollen den Eindruck haben, dass sie gerade in der Zeit der Krankheit und des Krankenhausaufenthaltes Mensch bleiben können“, betonte er am Freitagabend, 18. Mai, im Festgottesdienst anlässlich des Empfangs der Herzreliquie des heiligen Kamillus (1550-1614), des Patrons der Kranken, Krankenhäuser und Krankenpflegekräfte, in der St. Kamillus-Kirche in Essen-Heidhausen. Nur Reform-Maßnahmen, die human seien und dem Menschen dienten, verdienten den diesen Namen.

Die Technisierung der Medizin habe die Herrschaft angetreten. Doch warnte Grave vor voreiliger und undifferenzierter Kritik. „Die medizinische Technik ist oft eine große Hilfe und ein Segen dazu“, betonte er. Aber der Vorteil der Technik könne auch ihr Nachteil sein. Oft sei vom „Pflegenotstand“ die Rede, gebe es Klagen darüber, dass dem Pflegepersonal die Zeit für die notwendige Zuwendung zum Kranken fehle. „Der Kranke braucht nicht nur die richtige Pille, er braucht oft viel mehr und viel früher ein helfendes Wort“, so der Weihbischof. Bei allen anzuerkennenden Fortschritten im Gesundheitswesen sei jedoch ein „Zuwachs an Humanität“ dringend erforderlich. Medizinische Technik und diagnostischer Fortschritt allein reichten nicht aus.


Krankheit betrifft den ganzen Menschen

Kamillus von Lellis, der sich im 16. Jahrhundert vor allem den Kranken und Armen zugewandt habe, halte „unverzichtbare Maßstäbe und Normen“ bereit, die auch heute noch Gültigkeit hätten. Das Konzept des Heiligen und des von ihm gegründete  Ordens beinhalte eine patientenorientierte und ganzheitliche Sorge um den Kranken. „Der Zustand eines Kranken betrifft den ganzen Menschen. Es ist nicht die Fraktur oder die Operation, es ist der Mensch, der eine Fraktur oder Operation überstehen muss“, betonte Grave. Krankheit sei „nicht nur ein physiologischer, sondern ein menschlich-existentieller Zustand“. Deshalb müsse eine Krankheit auch „gesamt-menschlich“ angegangen werden. Das schließe die Seele mit ein. Kamillus habe gewusst, dass auch die Krankenseelsorge ein integrierter Bestandteil von „Heilung und Heil“ sei. 


Ein Herz für die Kranken

Alles, was medizinisch und pflegerisch geschehe, müsse vom Patienten ausgehen. Pflege sei keine nachrangige Aufgabe. „Die Pflegerinnen und Pfleger sind es, die den Kranken begegnen und deren Sorgen, Nöte und Fragen kennen“, so Grave. Deshalb sei dieser Dienst nicht zweitrangig. Der heilige Kamillus würde heute sagen: „Wer den Kranken gerecht werden möchte, muss ein Herz für die Kranken haben.“ Deshalb sei die kamillianische Spiritualität für die Diskussion über die Zukunft des Gesundheitswesens unverzichtbar.

Bis zum 1. Juni ist in der St. Kamillus-Kirche in Essen-Heidhausen die Herzreliquie des heiligen Kamillus zur Verehrung ausgestellt. Er hat in Rom als Krankenpfleger, Spitalsverwalter, Krankenseelsorger und Ordensgründer gewirkt. Engagiert setzte er sich für die Verbesserung der Situation kranker Menschen ein und initiierte zahlreiche Reformen im Gesundheitswesen seiner Zeit. Um seiner Idee einer liebevollen, umfassenden und fachkompetenten Sorge um die Kranken eine Zukunft zu geben, gründete er 1586 die Gemeinschaft der „Krankendiener“ (Kamillianer). Seit Anfang des 19. Jahrhunderts ist dieser Orden auch in Deutschland tätig. 1901 wurde in Essen-Heidhausen die erste deutsche Niederlassung gegründet. (do)  

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