„Das Konzil hat wie eine Laterne den Weg gezeigt“

Das Zweite Vatikanische Konzil hat nach Ansicht von Kardinal Walter Kasper, Rom, das Gesicht der Kirche nach innen und nach außen positiv verändert. Aber noch nicht alle Ergebnisse des bislang größten Bischofstreffens seien umgesetzt - das betonte er auf einer Veranstaltung der "Wolfsburg" in Mülheim zum 50-jährigen Konzilsjubiläum.

Kardinal Walter Kasper sprach in der „Wolfsburg“

Es löste damals Begeisterung aus, sorgte für Überraschungen, weckte  Erwartungen und Hoffnungen. Das Zweite Vatikanische Konzil, das vor 50 Jahren, am 11. Oktober 1962, eröffnet wurde, sorgte für eine Aufbruchstimmung und Dynamik in der Katholischen Kirche. Doch bis heute sind nach Ansicht des emeritierten Kurienkardinals Walter Kasper noch nicht alle Ergebnisse dieses Bischofstreffens umgesetzt. "Wir haben das Konzil noch nicht ausgeschöpft", sagte Kasper am Dienstagabend bei einer Veranstaltung zum 50-jährigen Konzilsjubiläum in der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg" in Mülheim. Das Konzil habe eine Agenda hinterlassen, die noch längst nicht abgearbeitet sei, so der langjährige Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.

In der fünfstündigen Veranstaltung mit prominenten Gästen, Vorträgen, Statements, Diskussionen, Film, Musik und Originalzitaten aus den wichtigsten Konzils-Dokumenten erlebten die über 300 Gäste beeindruckende „Geschichtsstunden“ über das wohl wichtigste Ereignis der jüngeren Kirchengeschichte. Mit insgesamt mehr als 2.800 teilnehmenden Kardinälen, Bischöfen und Patriarchen war es das größte Bischofstreffen aller Zeiten.

Papst Johannes XXIII. habe - so der Kardinal – mit dem Konzil  eine pastorale Zielsetzung verfolgt: „Er wollte keine Verurteilungen oder Abgrenzungen. Das Konzil sollte einem ‚Heutigwerden‘ der Kirche dienen.“ Dabei sei es nicht um „billige Anpassung an den Zeitgeist“ gegangen, sondern um die Absicht, „den Gehalt des überlieferten Glaubens in neuer Form ‚heutig‘ zur Sprache zu bringen“, betonte Kasper, der in seinem Vortrag aus den insgesamt 16 umfangreichen und „theologisch sehr dichten“ Dokumenten des Konzils die Liturgie-, Offenbarungs-, Kirchen- und Pastoralkonstitution sowie die Dekrete über den Ökumenismus und die  Religionsfreiheit herausstellte. „Das alles hat das Gesicht der Kirche nach innen und nach außen in vielfacher Hinsicht positiv verändert“, so der Kardinal. Auf der anderen Seite seien „viele Impulse des Konzils, etwa die Betonung der Orts- und Einzelkirchen, die Kollegialität des Episkopats und die Mitverantwortung der Laien, nur halbherzig verwirklicht“ worden.


Noch unentdeckte Reichtümer ausschöpfen

Die Licht- und Schattenseiten zeigen nach Ansicht von Kasper, „dass das Konzil eine Dynamik ausgelöst hat, die nicht wieder rückgängig gemacht werden kann“. Dabei führten Nostalgie und Restauration ebenso wenig weiter wie „utopische Kirchenträume“. Der Kardinal sieht 50 Jahre nach Eröffnung des Konzils eher Anlass, sich nochmals gründlich mit den Texten des Konzils zu befassen, „um ihre noch unentdeckten Reichtümer auszuschöpfen“. Das Konzil sei „kein Steinbruch“, aus dem man Material für die jeweils gewünschte These holen dürfe. Vielmehr sei eine reflektierte Auslegung gefragt.

„Um Glaube, Hoffnung und Liebe zu wecken, helfen die Grabenkämpfe zwischen Konservativen und Progressiven nicht weiter“, betonte Kasper. Das Konzil habe nicht einen Übergang zu einer liberal angepassten Kirche eingeleitet, sondern zu einer „aus ihren geistlichen Wurzeln erneuerten und zugleich dialogoffenen, für das Heil der Menschen engagierten Kirche“. Von ihr könne in einer sich rasch verändernden und zutiefst verunsicherten Welt neu „prophetische Kraft“ ausgehen. „Sie kann Kompass sein und für viele ermutigende Zeichen der Hoffnung“, sagte der Kardinal. Wie zu Zeiten des Konzils selbst solle die Kirche heute "nicht zurück in eine angstvolle Haltung" verfallen, so Kasper. Die Bischofsversammlung habe den Weg gezeigt, „so wie eine Laterne, die immer nur Licht für den nächsten Schritt gibt". Diesen Schritt müsse man "dann aber auch gehen".

Die Lehren aus dem Konzil ließen sich auch für den aktuellen Dialogprozess innerhalb der deutschen Kirche nutzen, ergänzte Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck in seinem Statement auf dem Podium. So hätten die Konzilsväter mit Blick auf die Position der Kirche in der Welt von den „Zeichen der Zeit“ gesprochen, die es zu erkennen gelte. Eines dieser Zeichen sei heute die "Frauenfrage", sagte Overbeck - nicht nur hinsichtlich einer neuen Rolle der Frauen in der Kirche, sondern auch hinsichtlich sich wandelnder Beziehungen der Geschlechter. (do)

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