von Thomas Rünker

Bewegender Gottesdienst zum Abschied vom Bergbau

Hunderte Besucher nahmen beim ökumenischen Festgottesdienst im Essener Dom Abschied vom deutschen Steinkohlenbergbau. Einen Tag vor der letzten Förderschicht auf Prosper Haniel erinnerten Bischof Overbeck und Präses Rekowski an die enge Verbundenheit der Kirchen mit dem Bergbau.

Bischöfe, Bergleute und die Heilige Barbara – mit einem bewegenden ökumenischen Gottesdienst haben rund 900 Christen am Donnerstagabend im Essener Dom Abschied vom deutschen Steinkohlenbergbau genommen. Einen Tag vor der letzten Förderschicht im Bottroper Bergwerk Prosper Haniel stand dabei die enge Verbundenheit zwischen den Kirchen und dem Bergbau im Mittelpunkt. Zugleich gab es in der Feier Raum für Trauer und für Erinnerungen an die Industrie, die wie keine andere die vergangenen 200 Jahre im Ruhrgebiet und weit darüber hinaus geprägt hat.

Bergleute brachten zu Beginn des Gottesdienstes das Kreuz der Kulturhauptstadt Ruhr.2010 in die Kirche. Fahnen-Abordnungen von Knappenvereinen umrahmten den Altar – und auf einem eigenen Podest aus Kohle und Stahl hatte die Figur der heiligen Barbara ihren Ehrenplatz. Eigens für den Gottesdienst hatten Bergleute die Figur ihrer Schutzpatronin von der siebten Sohle auf Prosper Haniel, also aus gut 1200 Metern Tiefe, ans Tageslicht und in den Essener Dom gebracht – und gleich im Anschluss an die bewegende Feier ging es für die Figur wieder zurück an ihren Platz. Ein Stück Beistand für die Kumpel in ihrer letzten Förderschicht am Freitag.

„Morgen geht eine Epoche, eine Ära zu Ende“, sagte der katholisch Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck zu Beginn der Feier. Und der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, ergänzte: „Schicht im Schacht – das ist ein echter Einschnitt“. Die Steinkohle sei „der Motor, die Lokomotive für die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land“ gewesen. In ökumenischer Verbundenheit leiteten die beiden Kirchenführer diesen historisch einmaligen Gottesdienst zum Ende der deutschen Steinkohlenförderung. In ihrer gemeinsamen Predigt betonten sie das gelebte Vertrauen und die gegenseitige Solidarität der Bergleute als Werte, die auch nach dem Bergbau wichtig blieben. Der Bergmannsgruß „Glück Auf“ sei dabei „fast so etwas wie ein Segenswort: Möge Gott Dich bewahren“, sagte Rekowski und hob die gegenseitige Achtung der Bergleute voreinander hervor. Alle seien „verschieden, aber gleichwertig – diese Haltung unter Tage, die brauchen wir auch über Tage“. Overbeck verwies auf den sozialverträglichen Stellenabbau, gerechte Vorruhestandsregelungen und Umschulungen und betonte: „Die Art und Weise wie der soziale Zusammenhalt organisiert worden ist, ist beispielhaft“. Dabei seien die Umstrukturierungen, die das Ruhrgebiet mit dem jahrzehntelangen Zechensterben erfasst haben, keineswegs nur ein Thema des Bergbaus – „davon können wir auch als Kirchen ein Lied singen“, so der Bischof. Die Kirchen und ihre Gemeinden hätten früher eine wichtige Rolle gespielt „und sie tun es heute immer noch, aber heute können wir dies nur gemeinsam – in ökumenischer Verbundenheit“, hob Overbeck hervor.

Rekowski lenkte den Blick indessen auch auf die Schattenseiten des Bergbaus, auf Grubenunglücke, Berufskrankheiten und die Ewigkeitslasten der Steinkohlenförderung. Und er erinnerte an den am Montag im Bergwerk Ibbenbüren ums Leben gekommenen 29-jährigen Bergmann, dem die Kumpel im Gottesdienst stellvertretend für alle verunglückten Bergleute eine eigene Fürbitte widmeten.

Neben vielen Bergleuten waren auch zahlreiche Gäste aus Politik und Gesellschaft im Dom mit dabei – darunter Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) mit drei seiner Vorgänger: Hannelore Kraft (SPD), Jürgen Rüttgers (CDU) und Wolfgang Clement (SPD). Laschet betonte, wie selten ein solch gemeinsamer Auftritt der vier Politiker sei, die in ihren Amtszeiten ihre je eigenen Begegnungen und Themen mit dem Bergbau hatten.

Ins musikalische Programm des Gottesdienstes hatte Domorganist Sebastian Küchler-Blessing eine Improvisation über das Steigerlied eingebaut – zugleich ein Vorgeschmack auf den anschließenden Empfang in der evangelischen Kreuzeskirche. Nach einem gemeinsamen, von Bergleuten begleiteten Gang durch die Essener Innenstadt moderierte der Direktor der Bistums-Akademie „Die Wolfsburg“ und Beauftragter der Kirchen für das Projekt „Glückauf Zukunft“, Michael Schlagheck, eine Gesprächsrunde mit Ministerpräsident Laschet, Präses Kurschus, Bischof Overbeck, und RAG-Vorstandschef Peter Schrimpf. Neben Wehmut und Trauer empfinde er stolz für die geleistete Arbeit, sagte Schrimpf: „Ich verneige mich vor unserer Mannschaft, sie hat unglaubliches geleistet“. Zudem sei er dankbar für den gemeinsamen Gottesdienst, „das hilft den Bergleuten sehr“. Schlagheck betonte: „Der Bergbau hat wichtige kulturelle Flöze, die in die Zukunft tragen.“ Am Ende sangen die Gäste gemeinsam mit dem Ruhrkohle-Chor und Kindern der Essener Andreas-Schule die Bergmanns-Hymne „Glück Auf, der Steiger kommt“ – wohlwissend, dass diese Szene bald endgültig der Vergangenheit angehören wird.

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Die Dialogpredigt von Bischof Overbeck und Präses Rekowski im Wortlaut

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