Auch Arbeitgeber sollen Familienleben stärken

Unternehmen und Arbeitgeber müssen sich auf dem Arbeitsmarkt mehr denn je als familienfreundlich präsentieren. Das unterstrich Bischof Overbeck bei den "Bochumer Unternehmergesprächen". Er warnte aufgrund der Zunahme von Arbeitsplätzen mit zu geringer Einkommenssicherheit vor familiärer Verelendung.

Bischof Overbeck bei den „Bochumer Unternehmergesprächen“

Sich als Arbeitgeber und Unternehmen für die Stärkung der Familie einzusetzen, dazu rief Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck bei den Bochumer Unternehmergesprächen auf. Was zur Zeit wirtschaftspolitisch als Fachkräftemangel diskutiert werde, habe auch sozialpolitische Ursachen. „Gerade im Ruhrgebiet nimmt bei einem  Großteil der Bevölkerung die Zahl von Arbeitsplätzen mit zu geringer Einkommenssicherheit zu, mit allen familiären Verelendungskonsequenzen“. betonte der Ruhrbischof vor den rund 100 Gästen. Dem müsse man mit einer angemessenen Bildungs- und Sozialarbeit, Städteplanung sowie kommunaler und regionaler Wirtschaftsförderung begegnen. „Wir können im Ruhrgebiet nicht ganze Landstriche und Stadtteile einfach abschreiben“, so Overbeck.

 „Nicht zuletzt auch angesichts der demografischen Entwicklung ist es ein wirtschaftliches und selbstverständlich mitmenschliches Gebot, Familienleben in sozial schwierigen Verhältnissen zu stärken, damit Kinder gut aufwachsen können, um später ihren Platz in der Gesellschaft einnehmen und Verantwortung für andere übernehmen zu können“, betonte der Ruhrbischof. Sich in diesen sozialen Feldern auch als Unternehmen und Arbeitgeber zu engagieren, sei nicht nur ehrenvoll, sondern langfristig auch „eigennützig und deshalb immer sinnvoll“. Viele täten dies bereits, dafür sei er als Bischof dankbar.


Effizienzlogik und Prozesstaktung contra Familienleben

Overbeck wies darauf hin, dass einerseits viele mit dem Familienbegriff Hoffnungen verbinden, andererseits jedoch viele Familien an ihren Idealvorstellungen scheiterten. Der Soziologe Franz-Xaver Kaufmann habe von der „strukturellen Rücksichtslosigkeit der modernen Gesellschaft“ gegenüber der Familie gesprochen. „In der modernen Gesellschaft spielt es eben keine Rolle, dass man neben seinen sonstigen Funktionsbezügen als Eltern oder Kinder auch Verantwortung in Familienzusammenhängen hat“, so der Bischof. „Wirtschaftliche Effizienzlogik und Prozesstaktung“ ließen sich schwer mit den Anforderungen des Familienlebens harmonisieren. Nach Ansicht von Overbeck passen die Mobilitäts- und Flexibilitätsanforderungen des Arbeitslebens oft nicht mit den orts- und personengebundenen Erfordernissen der Kinderversorgung der Altenpflege zusammen, „ganz zu schweigen von den Notwendigkeiten des partnerschaftlichen Beziehungslebens“.


Unternehmen müssen sich familienfreundlich präsentieren

Der Fachkräftemangel zeige andererseits, dass Unternehmen und Arbeitgeber sich auf dem Arbeitsmarkt mehr denn je als „ausdrücklich  familienfreundlich“ präsentieren müssten. Als Beispiel nannte Overbeck die Schaffung von Betriebskindergärten, die es jungen Eltern ermöglichten, Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Auch die „Familienpflegezeit“ werde in einer immer älter werdenden Gesellschaft ein drängendes Thema. Aufgrund langer Ausbildungszeiten und verstärkt eingesetzter Zeitverträge in der Phase des Berufseinstiegs würden die Gründung einer eigenen Familie, die Heirat oder das „Ja zu eigenen Kindern“ immer weiter aufgeschoben, „bis es zu spät sein kann“, meinte der Bischof. Er sprach sich auch für eine Erleichterung des Wiedereinstiegs von Frauen in das Berufsleben nach der „Familienphase“ aus. Und Overbeck fragte: „Mit welchem Argument bekommen Frauen in manchen Branchen immer noch weniger Lohn für die gleiche Arbeit als Männer?“

Die Wirtschaft müsse ein eigenes wirtschaftliches Interesse daran haben, „sich für das Gelingen des Familienlebens der Mitarbeiter einzusetzen“.  Nicht der Markt, sondern der Mensch müsse im Mittelpunkt der Wirtschaft stehen. „Deshalb appelliere ich daran, sich auch als Arbeitgeber und Unternehmen engagiert für die Lebensbedingungen von Familien einzusetzen“, so der Bischof.

Mit Blick auf die Familienkampagne des Bistums Essen, die unter dem Motto „Bindung macht stark“ steht, wies Overbeck darauf hin, dass sich das Ruhrbistum das ganze Jahr über intensiv den Fragen nach den Bedingungen für gelingendes Familienleben stelle. „Denn die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft, ist der zentrale Lernort bei der Ausbildung und Entwicklung einer moralischen Personalität und Identität, ist der wichtigste Erfahrungsraum für Solidarität“, unterstrich der Bischof. Eine intakte Familie mit darüber hinausreichenden verwandtschaftlichen, freundschaftlichen oder nachbarschaftlichen Netzwerken sei auch heute noch „die beste Lebensversicherung“. (do)


Vortrag von Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck  

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