Weihbischof Franz Grave

Pastorale und soziale Probleme im Blick

von Ulrich Lota

Er ist ein “Kind des Ruhrgebiets”, kennt die Probleme der Region, den “Menschenschlag” sehr genau. Seine Ernennung zum Weihbischof am 31. März 1988 wurde deshalb vom damaligen Essener Bischof Franz Hengsbach auch als “eine besonders gute Wahl” bezeichnet. Mit Franz Grave war nicht nur erstmals ein gebürtiger Essener, sondern zugleich ein engagierter Streiter für die katholische Soziallehre ins Bischofsamt berufen worden.

Seine Kaplansjahre hat Grave in Duisburg-Beek verbracht. Die Erfahrungen dort hätten ihn sehr geprägt, meinte er einmal rückblickend. Die Sorgen und Nöte der Menschen sind ihm seitdem ebenso vertraut wie die schon damals spürbaren Strukturprobleme seiner industriellen Heimat. Die Verkündigung des Evangeliums ist für ihn daher stets untrennbar mit dem Auftrag verbunden, die Welt aus christlicher Verantwortung zu gestalten.

Schon als Diözesanpräses der Kolpingsfamilien im Bistum Essen (1966 bis 1971) und der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (1979 bis 1982) ging es ihm immer darum, die katholische Soziallehre im Alltag umzusetzen. “Was können wir konkret für die Menschen tun?” fragt er immer wieder. Folgenlose theoretische Diskussionen mag er darum ebensowenig wie überflüssige Sitzungen.

1970 übertrug ihm Bischof Hengsbach die Leitung des Seelsorgeamtes im Bischöflichen Generalvikariat. Von Anfang an machte Grave deutlich, dass Seelsorge und der Dienst der Laien keine Gegensätze sind. Gemeinsam mit dem Diözesanrat, deren Geistlicher Assistent er über zwei Jahrzehnte war, brachte er zahlreiche Initiativen auf den Weg. So zum Beispiel die bundesweit beachteten Aktionen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und die Hilfen für benachteiligte Jugendliche.

Mit dem Namen des Weihbischofs eng verbunden ist auch der vom Ruhrbistum herausgegebene Adventskalender, der inzwischen eine Auflage von über 18,5 Millionen Exemplaren erreicht hat. Auch die Initiativen zum Schutz des Sonntags sowie in der Familienpastoral tragen seine Handschrift.

Am 3. Mai 1988 empfing Franz Grave im Essener Dom die Bischofsweihe, nachdem ihn Papst Johannes Paul II. zum Titularbischof von Tingaria/Mauretanien und Weihbischof in Essen ernannt hatte. Vier Jahre später, nach dem Tod von Kardinal Franz Hengsbach, wählte ihn die Deutsche Bischofskonferenz zum Vorsitzenden der Bischöflichen Aktion Adveniat, dem Hilfswerk der katholischen Kirche für Lateinamerika. Seitdem hat er die Sorgen und Probleme der ärmsten Länder der Welt noch stärker im Blick. Nie versäumt er es, von der Verantwortung in der Einen Welt zu sprechen und mahnt immer wieder an, dass die “Option für die Armen” keine Worthülse bleiben darf. Für Papst Johannes Paul II. ein Grund mehr, Grave am 21. Juni 1999 zum Mitglied in die Päpstliche Kommission für Lateinamerika zu berufen. Zwei Jahre später, 2001, wurde ihm von der katholischen Universität “Nuestra Senora Reina de la Paz” in Tegucigalpa/Honduras die Ehrendoktorwürde im Fachbereich “Pastoraltheologie” verliehen.

1993 ernannte Ruhrbischof Dr. Hubert Luthe ihn zum Bischofsvikar für weltkirchliche und gesellschaftliche Aufgaben. Grave weiß, dass die Kirche im Konzert der Meinungen nur gehört wird, wenn ihre Aussagen fundiert sind. Umso stärker sucht er das Gespräch mit den Verantwortlichen in Unternehmen, Gewerkschaften und Verbänden. Berührungsängste kennt er dabei nicht. “Die Kirchen wollen nicht Politik machen, aber Politik möglich machen”, sagt er immer wieder.

Eine “Herzenssache” ist ihm vor diesem Hintergrund das 1997 veröffentlichte gemeinsame Wort der evangelischen und katholischen Kirche zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland, an dessen Formulierung er maßgeblich beteiligt war. Für ihn ist es die originäre Aufgabe der Kirche, daran zu erinnern, dass der Mensch im Wirtschaftsprozess Vorrang haben muss. Er weiß, dass die Kirche nicht den Sachverstand der Sozialpartner ersetzen kann. “Sie kann aber geschützte Räume zur Verfügung stellen, in denen ein offener, redlicher Meinungsaustausch zwischen den unterschiedlichen Interessenvertretern gepflegt werden kann”, ist er überzeugt.

Auch nach seinem 75. Lebensjahr hat der begeisterte Bergsteiger, Ski-Langläufer und Fußball-Fan die seelsorglichen und sozialen Probleme nicht aus dem Blick verloren. Mit der Ernennung des neuen Weihbischofs Ludger Schepers am 27. Juni 2008 hat Papst Benedikt XVI. zugleich den altersbedingten Rücktritt von Weihbischof Grave angenommen. Seine Meinung und sein Rat sind aber auch weiterhin gefragt.

Ab 2008 wirkte Grave dann in der Seelsorge der Pfarrei St. Mariae Geburt mit. Im Jahr 2010 erhilet Grave gleich zwei Auszeichnungen: Neben dem großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland wurde ihm auch der Heinrich-Brauns-Preis verliehen. 2011 leitet der ehemalige Weihbischof dann die zentrale Gedenkfeier zum Unglück bei der Loveparade in Duisburg. Im Oktober 2019 feierte Grave dann mit einem feierlichen Gottesdienst in der Mülheimer Pfarrkirche St. Mariä Geburt sein diamantenes Priesterjubiläum.

Im Alter von 89 Jahren stirbt der emeritierte Weihbischof Dr. h.c. Franz Grave am 19. Februar 2022 in Essen. Nach einem feierlichen Requiem wurde Grave am 26.02.2022 auf dem Kapitelsfriedhof neben dem Dom beigesetzt.

Der Weihbischof, auch Hilfs-, Auxiliar- oder Titularbischof genannt, steht dem  Diözesanbischof zur Seite und nimmt vor allem Weihehandlungen (Weihe von Priestern, Kirchen, Altären) vor, daher der Name. Weihbischöfe tragen ebenfalls die bischöflichen Amts- und Ehrenzeichen wie Ring, Hirtenstab und Mitra und haben als Mitglieder des Kollegiums aller Bischöfe Teil an der Lehrvollmacht der Gesamtkirche, wie sie etwa bei den Beratungen und Beschlüssen eines Konzils zum Ausdruck kommt.

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